Das Spiel der Götter 14: Die Stadt des blauen Feuers (German Edition)
schlüpfte. Nach einem kurzen Augenblick folgte Nimander ihm.
Etwa dreißig Schritt von dem behelfsmäßigen Lager entfernt machte Skintick halt und hockte sich hin.
Nimander setzte sich ihm gegenüber.
Die Sonne ging gerade auf, und ihr rötlich gefärbtes Licht strömte in die Düsternis dieses Waldes. Mit ihm kam Meeresgeruch.
»Herold von Mutter Dunkel«, sagte Skintick leise, als würde er den Wert seiner Worte messen. »Todbringendes Schwert. Dreiste Titel, Nimander. Nun ja, ich habe auch über jeweils einen für uns beide nachgedacht – es gab sonst nicht viel, womit ich mich während der endlosen Marschiererei beschäftigen konnte. Skintick, der Blinde Narr des Hauses Dunkel. Gefällt dir das?«
»Du bist nicht blind.«
»Ach, nein?«
»Worüber willst du reden?«, fragte Nimander. »Doch wohl kaum über verrückte Titel.«
»Das kommt darauf an. Dieser Clip protzt mit seinem immerhin ziemlich herum.«
»Du glaubst ihm nicht?«
Ein angedeutetes Lächeln. »Es gibt nicht sehr viel, was ich wirklich glaube, Cousin. Außer der widersprüchlichen Tatsache, dass angeblich intelligente Leute es genießen zu scheinen, dumm zu sein. Was das angeht, gebe ich dem chaotischen Aufruhr von Gefühlen die Schuld, die die Vernunft ebenso vereinnahmen, wie Wasser Schnee vereinnahmt.«
»›Gefühle sind die Ausgeburten wahrer Beweggründe, ob diese Beweggründe bewusst sind oder nicht‹«, sagte Nimander.
»Der Mann kann sich an das erinnern, was er gelesen hat. Das macht ihn ausgesprochen gefährlich, ganz zu schweigen davon, dass er gelegentlich nervtötend ist.«
»Worüber wollen wir reden?«, fragte Nimander mit einem Anflug von Ärger. »Er kann jeden Titel geltend machen, den er will – wir können nichts dagegen tun, oder?«
»Nun, wir können uns entscheiden, ihm zu folgen – oder nicht.«
»Selbst dafür ist es zu spät. Wir sind ihm gefolgt. Nach Kurald Galain, und jetzt hierher. Und in der nächsten Zeit werden wir ihm zum Endpunkt unserer Reise folgen.«
»Um vor Anomander Rake zu stehen, ja.« Skintick deutete auf den Wald, der sie umgab. »Wir könnten auch einfach weggehen. Könnten Clip allein seiner dramatischen Abrechnung mit dem Sohn der Dunkelheit überlassen.«
»Und wo würden wir dann hingehen, Skintick? Wir wissen noch nicht einmal, wo wir sind. Welche Sphäre ist dies? Welche Welt liegt jenseits dieses Waldes? Wir können nirgendwo anders hingehen, Cousin.«
»Nirgendwohin – und überallhin. Unter diesen Umständen führt Ersteres zu Letzterem, Nimander, wie wenn man zu einer Tür kommt, von der alle glauben, dass sie verriegelt, dass sie abgeschlossen ist – und siehe da, sie geht weit auf, wenn man sie berührt. Nirgendwo und überall sind Geistesverfassungen. Siehst du den Wald um uns herum? Ist er eine Barriere, oder besteht er aus zehntausend Pfaden, die zu Mysterien und Wundern führen? Ganz egal, wie du dich entscheidest, der Wald bleibt unverändert. Er verwandelt sich nicht, um zu deiner Entscheidung zu passen.«
»Und wo ist der Witz in alledem, Cousin?«
»Lachen oder weinen, alles sind einfach nur Geistesverfassungen.«
»Und?«
Skintick schaute zur Seite, dorthin, wo sich das Lager befand. »Ich finde Clip … erheiternd.«
»Warum überrascht mich das jetzt nicht?«
»Er hat einen gewaltigen, unheilvollen Moment erschaffen – den Moment, wenn er endlich dem Sohn der Dunkelheit von Angesicht zu Angesicht gegenübersteht. Er hört Marschmusik, das Dröhnen von Trommeln oder das Schmettern von Hörnern, das um den hohen, schwankenden Turm fegt, wo sein vom Schicksal bestimmtes Treffen zweifellos stattfinden wird. Er sieht Furcht in Anomander Rakes Augen als Reaktion auf seinen eigenen Zorn.«
»Dann ist er ein Narr.«
»Das sind wir jungen Leute immer. Wir sollte es ihm sagen.«
»Ihm was sagen? Dass er ein Narr ist?«
Skinticks Lächeln wurde einen Moment lang breiter, dann sah er Nimander wieder in die Augen. »Ich nehme an, wir sollten es dezenter ausdrücken.«
»Und wie?«
»Der Wald verändert sich nicht.«
Jetzt war es an Nimander wegzusehen, blinzelnd die graue Dämmerung zu betrachten, die nebelhaften Geister, die die Knöchel der Bäume verhüllten. Sie ist in meinen Armen gestorben. Und dann ist Andarist gestorben, auf den Pflastersteinen verblutet. Und Phaed wurde mir aus den Händen gerissen. Wurde aus einem Fenster geworfen, hinunter auf die Straße, in ihren Tod. Ich habe ihrem Mörder in die Augen geblickt und dort gesehen, dass er sie
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