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Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige

Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige

Titel: Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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bezogen, öffnete der Himmel seine Schleusen. Der Schnee schlug den Lancastrianern fast waagerecht entgegen und war so dicht, dass er einebeinah undurchsichtige Wand bildete. Julian merkte erst, dass sie unter Beschuss waren, als er die Pfeile zusammen mit den Flocken auf sich zufliegen sah. Er duckte sich rechtzeitig, aber eines der Geschosse streifte Frederics stahlgepanzerten Arm und traf einen Mann in der zweiten Reihe. Julian hörte seinen Schrei – sehen konnte er ihn nicht.
    Somerset befahl ihre Bogenschützen nicht nach vorne. Sie alle wussten, dass sie gegen diesen Sturmwind nichts ausrichten konnten, der aber den Pfeilen ihrer Gegner mehr Schnelligkeit und größere Reichweite verlieh. Nachdem der zweite Hagel herübergekommen war, gab Somerset Befehl, in geschlossener Linie vorzurücken. »Wir müssen einen nach dem anderen von Hand erledigen«, erklärte er grimmig. »Es bleibt uns nichts anderes übrig.«
     
    Die Schlacht von Towton währte von Sonnenaufgang bis zum späten Nachmittag, und selbst die Veteranen der letzten Frankreichfeldzüge sagten später, dass sie niemals ein so grauenvolles Gemetzel erlebt hätten. Auf beiden Seiten gab es zu viel Zorn, zu viel berechtigten Groll, um dem Feind Gnade zu zeigen, und die bittere Kälte und der heulende Wind machten die Männer erbarmungslos. Gegen Mittag hatten die Lancastrianer ihre Feinde bis zurück über den Fluss gedrängt und so viele von ihnen niedergemacht, dass sie über ein Bollwerk aus Leichen klettern mussten, um die Frontlinie wieder zu erreichen. Julian spürte seine Beine schwer werden davon, denn die Kletterei in Rüstung war eine elende Schinderei. Aber er achtete nicht auf das Ziehen in Waden und Oberschenkeln, so wenig wie auf das Blut, das ihm von einer Platzwunde an der Stirn ins Auge lief. Er sah nicht einmal den Pfeil, der seinen Cousin Daniel in den Hals traf und zu Fall brachte, denn der Wind und der Schnee hatten Julians Welt zu einem winzigen Kämmerlein schrumpfen lassen, dessen weiße Wände kaum einen Schritt auseinander lagen, und wann immer eine Gestalt durch diese weiße, flimmernde Wand brach und eine Waffe auf ihn richtete, machte er sie nieder. Er hörte das Heulendes Windes, aber er hörte auch Waffenlärm und Schreie, und dann Norfolk , immer wieder diesen Namen, Der Duke of Norfolk ist endlich gekommen .
    Mit einem Mal kam nicht ein Feind durch die Schneemauer, sondern zwei. Julian griff mit der linken Hand nach dem Dolch, doch der war in der Scheide festgefroren. Also blieb ihm nichts weiter übrig, als beide Gegner mit dem Schwert abzuwehren. Das gelang schließlich, doch ehe sie fielen, hatten sie ihn drei, vier Schritte zurückgedrängt. Wenig später fand er sich wieder zwei Feinden gleichzeitig gegenüber, wieder musste er ein Stück zurückweichen, und ihm kam der Gedanke, dass die Verstärkung, die Norfolk dem jungen Edward of March gebracht hatte, gewaltig sein musste.
    Der Druck von vorn wurde immer mächtiger, wie eine allmählich ansteigende Flut. Und dann begannen die Dämme zu brechen: Hier und da löste sich die Front der Lancastrianer auf, die Männer machten kehrt und flohen.
    »Das dürft ihr nicht!«, brüllte Julian ihnen nach. »Die Linie muss halten, sonst sind wir verloren!« Er sah sich kurz um, doch hinter ihm war niemand mehr, nur ein flacher Hügel aus reglosen Leibern, den der Schnee allmählich zudeckte. Fluchend wandte Julian sich wieder nach vorn, aber er sah den Pfeil nicht kommen. Er spürte nur plötzlich einen gewaltigen Schlag vor die linke Brust, beinah wie ein Fausthieb. Die Wucht schleuderte ihn nach hinten. Mit ausgebreiteten Armen prallte er rückwärts gegen die ungleichmäßige, weiche Wand aus Leichen und rutschte daran entlang in den Schnee.
    Er hielt das Schwert noch in der Hand. Also schloss er die Finger fest darum und stand wieder auf. Er wusste, dass ein Pfeil in seiner Brust steckte, aber er spürte ihn kaum. Jedenfalls noch nicht. Und solange das so blieb, würde er weiterkämpfen. Doch kaum stand er sicher auf den Beinen, rannten zwei Fliehende ihn wieder über den Haufen. Ohne seinen Verwünschungen die geringste Beachtung zu schenken, kletterten sie in panischer Hast den schaurigen Hügel hinauf. Bevor sie dieKuppe erreicht hatten, fielen sie beide, der eine von einem Pfeil, der andere von einem Wurfspieß niedergestreckt.
    Julian lag wieder im Schnee und fluchte. Vielleicht hatte der Zusammenstoß den Pfeil tiefer in sein Fleisch getrieben. Jedenfalls tat es

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