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Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige

Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige

Titel: Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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mit einem Mal mörderisch weh. Keuchend wälzte er sich auf die Seite, und sein Blick fiel auf seinen Knappen.
    Alexander lag auf dem Rücken, den Kopf auf den Brustpanzer eines Toten gebettet. Er sah fast aus wie ein Reisender, der sich am Wegesrand zur Ruhe legt und seinen Sattel als Kissen benutzt. Doch dort, wo einmal Alexanders rechter Arm gewesen war, hatte sich eine hellrote Pfütze im Schnee gebildet, und immer noch strömte Blut aus der Schulter.
    Julian kniff die Augen zu, schüttelte kurz den Kopf und schlug die Lider wieder auf, aber das grauenvolle Bild war geblieben.
    »Alexander …« Es klang tonlos. Julian stellte fest, dass er die Stimme verloren hatte, und das Atmen wurde schwerer. Er wusste, der Pfeil steckte in der Lunge.
    »Tut mir leid, Sir«, murmelte der Knappe. »Ich musste es tun.«
    Julian ließ sein Schwert los, riss dem nächstbesten Leichnam mit der rechten Hand den Wappenrock herunter, knüllte ihn ungeschickt zusammen und robbte näher an Alexander heran, um den Stoff auf die sprudelnde Wunde zu drücken.
    »Das hat doch keinen Zweck«, brummte der Knappe ungehalten.
    Julian wusste, das stimmte. Das Gesicht des Jungen zeigte bereits die eigentümlich gräuliche Blässe der Verbluteten.
    Julian nahm mit einiger Mühe den Helm ab, ließ ihn achtlos in den Schnee rollen und sah auf den sterbenden Jüngling hinab. Er bekam nicht genug Luft, um ihn zu beschimpfen oder ihm Fragen zu stellen. Er wusste es ja ohnehin. Alexander hatte ihnen vermutlich einen halben Tag Vorsprung gelassen und war ihnen dann heimlich gefolgt. Es war ja nicht gerade schwierig, eine Gruppe von über vierzig Mann zu verfolgen, die sich nicht einmal bemühte, ihre Spur zu verwischen. Undnachdem Julian und die Seinen sich dem großen Heer angeschlossen hatten, brauchte Alexander nur noch in der Masse unterzutauchen.
    Julian schloss die Rechte um die eine Hand, die seinem Knappen geblieben war. »Hast du gebeichtet?«, fragte er.
    Alexanders Lider flatterten. »Vor der Schlacht, wie alle anderen auch«, murmelte er. »Mit Gott bin ich im Reinen. Werdet Ihr mir auch vergeben, Mylord? Ich konnte … nicht länger warten. Die Königin hätte ewig an mir gezweifelt. Weil ich doch … ein Neville bin. Vergebt Ihr mir?«
    Julian nickte. Nur ob er sich selbst vergeben konnte, dessen war er nicht sicher. Ich hätte es kommen sehen müssen, dachte er. Ich hätte es verhindern müssen.
    Alexander lag still, seine Züge entspannt. Julian glaubte, er sei bewusstlos geworden, aber dann schlug der Knappe die Augen noch einmal auf. »Es ist komisch. Es tut … fast gar nicht weh«, sagte er und starb.
    Es kostete Julian Mühe, die Hand zu heben, um ihm die Lider zu schließen, aber es kam ihm wichtig vor, das zu tun. Schneeflocken hatten sich in den Wimpern des Jungen verfangen und fielen auf sein Gesicht, dessen Wärme sie noch zum Schmelzen brachte.
    Immer mehr fliehende Lancastrianer hasteten vorbei, kletterten in Todesangst über ihn und Alexander und den Leichenberg hinweg, ohne den toten Jungen und seinen schwer verwundeten Dienstherrn auch nur wahrzunehmen. Yorkisten verfolgten sie in Gruppen zu zweit, zu dritt oder ein halbes Dutzend stark, holten sie ein und machten sie nieder. Sie taten es schweigend – ohne Triumphgeheul oder Verwünschungen –, grimmig und vor allem systematisch.
    Halb saß, halb lag Julian im Schnee und wartete, dass einer der Feinde ihn sah und feststellte, dass er noch atmete – zumindest in kleinen, mühsamen und schmerzhaften Zügen. Die Zeit wurde ihm lang. Das Tageslicht begann zu schwinden, die Schneeflocken wurden größer und weniger dicht. Julian fror, schwitzte und fror wieder. Ganz allmählich spürte er seineLebenskraft schwinden. Seine Glieder waren längst steif vor Kälte und vom Gewicht der Rüstung, und zu dieser Steifheit gesellte sich ein Lähmungsgefühl. Er ließ den Kopf zurücksinken und sah ein Heer von Krähen. Nie hätte er gedacht, dass es in England so viele Krähen gab; der Himmel war schwarz davon. Julian schloss die Augen und glitt hinüber in einen seltsamen Dämmerzustand.
    Als er daraus erwachte, war er fast vollständig eingeschneit. Er fand sein Blickfeld von zwei leicht gespreizten, gerüsteten Beinen ausgefüllt. Schmerz war in seiner Brust aufgeflammt, und er musste erstickt husten, woraus er schloss, dass der Mann ihn in die Rippen getreten hatte, um ihn aufzuwecken.
    Der Verdacht bestätigte sich, als die hohe Gestalt über ihm sagte: »Du sollst es merken,

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