Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
viele Zeugen für ein vertrauliches Wort, selbst wenn Julian argwöhnte, dass keinem von ihnen sein skandalöses Verhältnis mit der Königin verborgen geblieben war. Sie alle übten Diskretion und begegneten ihm höflich, weil sie die Königin verehrten. Aber sie alle, wusste Julian, hatten Macht über ihn.
Marguerite reichte ihm mit einem müden Lächeln die Hand.
Julian führte diese kurz an die Lippen und richtete sich wieder auf. Er wollte gehen, aber die Königin ließ ihn nicht sofort los.
»Wo sind der König und der Prinz?«, fragte er, um das Schweigen zu brechen, das ihn nervös machte.
»In York«, antwortete Marguerite. »Ich hielt es für das Vernünftigste, meine beiden Lämmchen in Sicherheit zu bringen.«
Sie gab sich immer weniger Mühe, ihre Geringschätzung für den König zu verbergen, fiel ihm auf. Das war kein Wunder – es musste sie verbittern, dass ihr neben den Pflichten einer Königin auch die des Königs aufgebürdet worden waren –, aber unklug und gefährlich war es dennoch.
»Der König wird für uns beten, falls es ihm nicht entfällt, dass hier morgen die entscheidende Schlacht um seine Krone ausgefochten wird«, fügte sie hinzu.
Julian nickte. »Nun, ich bin überzeugt, dem Prinzen wird es nicht entfallen, Madame.«
Ihre Züge wurden milde, als sie an ihren Sohn dachte. »Da habt Ihr Recht, Sir. Mögen seine Gebete die Herzen aller königstreuen Engländer mit Mut und Entschlossenheit erfüllen.«
An Mut und Entschlossenheit mangelte es den Lancastrianern jedenfalls nicht, als der Tag anbrach, und sie hatten ein gewaltiges Heer aufgeboten: An die vierzigtausend Mann standen entlang eines Hügelkamms aufgereiht. Weder zur linken noch zur rechten Seite konnte Julian das Ende der Schlachtreihe ausmachen. Niemand kannte die Stärke der Gegner, aber es ging ein Gerücht, dass die Lancaster-treuen Truppen in der Überzahl seien.
»So ein Gerücht gibt es immer«, bemerkte Daniel unbeeindruckt, der neben Julian stand und das Visier seines Helmes einige Male auf- und abbewegte, damit es nicht festfror. Es war Palmsonntag – man schrieb den neunundzwanzigsten März –, und dennoch herrschte in Yorkshire tiefster Winter. Der Schnee reichte den Männern bis an die Waden, und mit Tagesanbruch hatte sich ein schneidender Wind erhoben, der ihnen geradewegs ins Gesicht blies.
Frederic of Harley wies nach Süden, wo eine Schar Reiter wie braune Tupfen in der weißen Ebene auftauchten.
Julian kniff die Augen zusammen, aber er konnte keine Wappen erkennen. »Das muss Clifford sein. Wird auch Zeit. Edward wird nicht ewig brauchen, um flussaufwärts eine andere Brücke oder Furt zu finden. Es ist zu riskant, zwischen Flussund Yorkisten zu geraten.« Noch während er sprach, kam hinter der Reiterschar eine zweite, größere in Sicht, die rasch aufholte. »Gottverflucht, was hab ich gesagt? Jetzt steckt Clifford in Schwierigkeiten. Frederic, schnell, lass uns die Pferde holen und …«
»Ihr bleibt, wo ihr seid«, unterbrach Somerset, den Blick unverwandt auf die Reiter gerichtet. »Wenn wir vorrücken, dann in geschlossener Linie, und zwar auf mein Kommando. Ist das klar?« Erst jetzt wandte er den Kopf und sah Julian an.
»Aber Somerset … schau doch hin, sie werden sie niedermachen!«
Somersets Miene blieb unbewegt. »Vielleicht soll es so sein. Clifford hat den jungen Rutland an der Brücke von Wakefield ermordet, nun wird die Brücke von Towton ihm zum Verhängnis.«
Julian war fassungslos. »Du opferst ihn, um ihn zu bestrafen? Bist du sicher, dass wir uns das leisten können?«
»Noch ein Wort, und ich lasse dich wegen Befehlsverweigerung in Ketten legen, Julian.«
Julian klappte den Mund zu und nickte knapp. Dann verschränkte er scheppernd die Arme, sah ins Tal hinab und wurde Zeuge, wie die Yorkisten Lord Clifford und seine Männer einen nach dem anderen abschlachteten.
»Das ist widerlich«, murmelte Daniel an seiner Seite.
Aber es war die richtige Entscheidung gewesen, denn noch ehe das grausige Werk getan war, tauchte die Haupstreitmacht der Yorkisten auf dem gegenüberliegenden Hügelkamm auf, kaum weniger langgezogen als die Lancastrianer.
»Wenn ihre Zahl geringer ist als unsere, dann nur um ein paar hundert«, bemerkte Simon, der an Daniels Seite stand.
Daniel nickte und sah auf die reglosen braunen Tupfen, die einmal Lord Clifford und seine Männer gewesen waren. »Und wie es aussieht, machen sie keine Gefangenen.«
Noch während die Yorkisten Stellung
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