Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
beschäftigt war, und führte sie zu einträglichen Piratenzügen gegen die Schiffe der Krone, die Silber und Kohle aus walisischen Bergwerken nach England bringen sollten. Er wohnte mit der jungen Frau, die er sich vor zwei Monaten genommen hatte, in einer Hütte, die nur einen Steinwurf von ihrer entfernt lag, und als Blanche bei ihm anklopfte und ihm die Lage erklärte, war er sofort bereit, sie nach Pembroke Castle zu begleiten.
Zu dritt machten sie sich auf den etwa einstündigen Fußmarsch über die Klippen, und als sie den kleinen, natürlichen Hafen ein gutes Stück hinter sich gelassen hatten, wandte Blanche sich an Rhys. »Wie schlimm ist es?«
Er hob ratlos die Hände, aber Furcht stand in seinen Augen.»Er ist in einen rostigen Nagel getreten. Einen wirklich fetten rostigen Nagel. Unten rein, oben raus. Sieht schlimm aus.«
Blanche bekreuzigte sich, aber sie blieb nicht stehen. Rhys lief seitlich wie eine Krabbe, damit er sie anschauen konnte, aber immer einen halben Schritt voraus, als könne es ihm nicht schnell genug gehen. Blanche wusste, sein Gefühl trog ihn nicht: Eile tat not. Aber ebenso wusste sie, dass Richmonds Leiden vermutlich weit jenseits ihrer bescheidenen Heilkünste war. »Er braucht einen Arzt«, sagte sie.
Rhys nickte. »Black Will hat gestern einen Mann nach St. David geschickt. Der Bischof hat einen französischen Leibarzt. Aber sie sind noch nicht zurück. Deswegen hat Generys gesagt, ich soll Euch holen.«
Blanche warf Meilyr einen Blick zu. »Ich hoffe, ihr habt gestern keinen Boten auf dem Weg nach St. David überfallen?«
»Nein«, versicherte der Tischler. »Wir haben uns während der letzten Tage ganz still verhalten. Ihr wisst ja, was Lord Jasper gesagt hat.«
»Und gibt es keine heilkundige Frau in Pembroke?«, fragte Blanche Rhys. »Was ist mit …« Sie musste einen Augenblick überlegen, bis ihr der Name der jungen Hebamme von damals einfiel. »Meredith?«
»Der Blitz hat sie erschlagen«, berichtete Rhys ohne erkennbares Bedauern. »Vorletztes Jahr in der Walpurgisnacht, ob Ihr’s glaubt oder nicht.«
Blanche unterdrückte ein Schaudern. »Nun, dann lasst uns beten, dass der Arzt vor uns eintrifft«, sagte sie. Aber sie legte einen Schritt zu.
Wie immer, wenn Blanche auch nur in die Nähe von Pembroke kam, trug sie ein Tuch um Kopf und Hals, wie es auch die Bauersfrauen taten, und mit der kleinen Weidenkiepe auf dem Rücken, die ihre getrockneten Kräutervorräte enthielt, und dem schlichten, verwaschenen Kleid konnte sie mit den Dorfbewohnern oder dem Gesinde auf der Burg verschmelzen.
Es war ein scheußliches Gefühl, sich in die Burg einschleichenzu müssen, die ihr Heim gewesen war und ihr in stürmischen Zeiten Zuflucht geboten hatte. Aber sie gestattete sich keine wehmütigen Erinnerungen oder sinnlose Tiraden gegen Edward of March oder Black Will Herbert. Hastig, mit gesenktem Kopf folgte sie Rhys durch den Innenhof zum Westturm, zwei dämmrige Treppen hinauf und den langen, zugigen Korridor entlang zu der Kammer, in der Megan vor sechseinhalb Jahren ihren Sohn geboren hatte.
» Hier haben sie ihn untergebracht?«, fragte Blanche vor der Tür.
Rhys nickte. »Eigentümlicher Zufall, he«, brummte er, klopfte an und stieß die Tür auf. Sie traten ein, und Meilyr folgte ihnen dicht auf den Fersen.
Generys, die auf der Bettkante gesessen hatte, stand auf und kam ihnen entgegen. Sie ergriff Blanches Linke mit beiden Händen. Sie weinte. »Oh, Mylady … Mein armes Lämmchen. Er ist so krank … so krank.«
Ungeduldig machte Blanche sich los und trat ans Bett.
Riesige dunkle Augen blickten ihr aus einem mageren Gesichtchen entgegen. Der Kopf wirkte klein und verloren auf dem großen Kissen. Generys hatte Recht, erkannte Blanche auf den ersten Blick: Der Junge war todkrank.
Sie setzte sich auf die Bettkante, strich ihm lächelnd die feuchten Locken zurück und küsste ihm die Stirn. Er glühte. »Richmond … mein geliebter kleiner Henry.«
»Blanche. Ich hab so gebetet, dass du kommst.« Die filigrane heiße Hand umschloss die ihre mit erstaunlicher Kraft. »Bevor … bevor ich einschlafe.«
Blanche wusste, das Schlimmste, was sie tun konnte, wäre, in Tränen auszubrechen, aber es kostete sie Mühe, sich zusammenzunehmen. Sie liebte dieses Kind so innig. Nicht auf diese überschäumende, natürliche, vorbehaltlose und beängstigende Weise, wie sie ihren Sohn und ihre Tochter liebte, sondern auf eine kompliziertere Art. Henry of Richmond war
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