Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
– mit einiger Erleichterung, muss ich hinzufügen, und das kann man ihm kaum verübeln. Jedenfalls tappen wir nun wieder im Dunkeln, was Edwards Pläne betrifft, und Somerset ist so von Hass und Rachegelüsten besessen, dass er zur Entwicklung solider Strategien derzeit völlig unbrauchbar ist. Ich fürchte um ihn. Ich fürchte um uns alle, wenn ich aufrichtig sein soll. Wir können nicht aufhören zu kämpfen, ohne unsere Ehre zu verlieren, aber wir können den Kampf nicht gewinnen. Was für eine vertrackte Lage, Schwester. Vielleicht wird einer deiner melancholischen walisischen Dichter ja einmal ein Lied darüber schreiben.
Meine yorkistische Gemahlin ist übrigens guter Hoffnung. Sollten meine düsteren Ahnungen mich also nicht trügen und ich vor Weihnachten fallen, besteht dennoch Hoffnung für unser Geschlecht. Der Gedanke gibt mir mehr Trost, als ich gedacht hätte.
Es tut mir leid, dass ich nichts Erfreulicheres zu berichten habe. Gott schütze euch, und möge euer Kampf unter einem glücklicheren Stern stehen.«
»Nein, das könnte ich wirklich nicht sagen«, grollte Jasper. Endlich ließ er die Hand sinken und sah Blanche an. »Er hat vollkommen Recht, dein Bruder: Ohne Unterstützung aus Frankreich ist unsere Sache aussichtslos.«
Blanche nickte. »Ich weiß.« Und was heißt das, fragte sie sich. Geben wir auf? Natürlich nicht. Machen wir weiter, auch wenn wir wissen, dass es sinnlos ist? Vermutlich ja. Aber wie? »Wirst du … noch einmal nach Frankreich segeln?«, fragte sie zaghaft.
Jasper schaute zur Red Rose hinüber, die sacht um ihre Ankerkette dümpelte. Schließlich antwortete er: »Ich wüsste im Moment ehrlich nicht, wozu. Louis hält uns nur hin. Er glaubt, dass er besser fährt, wenn er ein Abkommen mit Edward trifft. Edward hingegen braucht Burgund. Dringender als Frankreich,denn mit Burgund steht und fällt der englische Tuchhandel. Dieser Grünschnabel auf dem englischen Thron träumt davon, mit beiden Frieden schließen zu können, aber auf Dauer wird das niemals gut gehen. Irgendwann wird Louis die bittere Erfahrung machen, dass er für Edward nur an zweiter Stelle rangiert. Das könnte unsere Stunde sein, denn seit jeher fürchtet Frankreich nichts mehr als eine Allianz zwischen England und Burgund. Die Frage ist nur, wann diese Stunde kommt. Ob auch nur einer von uns dann noch übrig ist.«
Versonnen faltete Blanche Julians Brief zusammen, legte ihn neben sich auf den Boden und beschwerte ihn mit einem Stein. Wenn sie zurück ins Haus gingen, würde sie ihn verbrennen. Das fiel ihr jedes Mal schwer, denn es waren seltene, kostbare Lebenszeichen ihres Bruders, aber es ging nicht anders. Sie nahm ihr unvermeidliches Strickzeug auf, ließ die Nadeln emsig klappern und dachte nach.
»Segle nach Schottland, Jasper«, riet sie schließlich. »Ich weiß, dass der Gedanke an das Schicksal des Königs dich quält. Fahr hin, sprich mit deinem armen Bruder, und mach ihm ein bisschen Mut. Sag ihm, dass er noch Freunde in England und Wales hat, die für ihn kämpfen. Das wird ihn aufrichten.«
»Ich habe geschworen, immer in Richmonds Nähe zu bleiben, solange Black Will Herbert ihn in seinen Klauen hat«, erinnerte er sie. Es klang brüsk, beinah, als habe sie ihm geraten, etwas Unehrenhaftes zu tun.
»Ich weiß. Aber vielleicht braucht dein Bruder deinen Beistand im Augenblick dringender als dein Neffe. Wenn es stimmt, dass Marguerite den König in Schottland zurückgelassen hat …«
»Wie einen lahmen Gaul«, warf er ein.
Blanche nickte. »Ich bin überzeugt, für sie ist es auch nicht leicht.«
»Oh, jetzt kommt das wieder«, schnaubte Jasper. »Jedes Mal, wenn du dein Mitgefühl für Marguerite bekundest, könnte ich dich erwürgen, Blanche of Waringham.«
»Ich bin nicht sicher, dass sie es wert ist, mein Leben für siezu riskieren, aber irgendwer muss sie in Schutz nehmen«, gab sie zurück. »Und da weder du noch mein Bruder in der Lage zu sein scheint, ihr zuzubilligen, dass sie eine verdammt mutige Frau ist, die seit Jahren unermüdlich und tapfer für das Recht ihres Gemahls und ihres Sohnes kämpft – mithin genau das Gleiche tut wie ihr –, bleibt es eben an mir hängen.«
Jasper brummte verdrossen. So auf Anhieb schien ihm nichts einzufallen, das er darauf erwidern konnte, und Blanche lächelte verstohlen vor sich hin.
Owen kam zu ihnen gerannt, um seinem Vater mit stolzgeschwellter Brust einen toten Fisch zu zeigen, den er am Ufer gefunden hatte. Dem Aroma nach
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