Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
Koketterie und kindlicher Enttäuschung über ihre Niederlage.
»Wahrscheinlich nicht«, räumte Edward ein und schnipste ihren schwarzen König um.
Sie schlug empört mit den Fäusten auf die Stuhllehnen. »Ihr legt es wohl darauf an, mich in Tränen ausbrechen zu sehen?«
Edward sprang aus seinem Sessel und warf sich ihr zu Füßen. »Das würde ich mir niemals verzeihen, geliebte Cousine und Schwägerin. Ich hoffe, Ihr könnt einem unverbesserlichen Flegel noch ein aller-, allerletztes Mal vergeben.«
Sie kicherte. »Steht auf, um Himmels willen. Wenn Vater Eusebius das sieht …«
Edward erhob sich lachend und fegte Grashalme von seinen Knien. Es war ein herrlicher Spätsommertag, und die Diener hatten einen Tisch und Sessel ins Freie getragen. Anne und ihre Freundin Claire Dispenser, die ein Mündel ihres Vaters war, saßen mit König Edward und Julian im Schatten eines Baldachins auf dem gepflegten Rasen des weitläufigen Hofs. Schläfrige Nachmittagsstille lag über der Burg, und die gewaltigen Mauern und Türme wirkten so hell im Sonnenlicht, dass man nur blinzelnd hinschauen konnte.
»Wollt Ihr es noch einmal gegen mich versuchen, Lady Claire?«, fragte Edward lauernd.
Sie hielt den Blick gesenkt. »Was immer Ihr wünscht, Euer Gnaden.« Im Gegensatz zu Anne hatte sie eine solche Ehrfurcht vor dem König, dass sie regelrecht erstarrt wirkte.
»Also nicht«, schloss er. »Wie steht es mit Euch, Waringham?«
Julian sah von seinem jüngsten Schnitzwerk auf und schüttelte den Kopf. »Alle Waringham sind hoffnungslose Schachspieler, Mylord. Möglicherweise mit Ausnahme meiner Schwester Blanche. Ich glaube, sie ist recht gut. Aber ich würde Euch nur langweilen, denn ich schätze, Ihr seid jemand, dem leichte Siege verhasst sind.«
»Nur beim Spiel«, schränkte Edward ein. »Im Feld habe ich ganz und gar nichts gegen leichte Siege.« Sein Mund lächelteimmer noch, aber seine Augen verrieten für einen kurzen Moment Traurigkeit, Enttäuschung und Zorn.
Auch Anne schien seinen Stimmungsumschwung zu spüren, und sie senkte unglücklich den Blick. Ihr war vollkommen unbegreiflich, wieso ihr Vater sich gegen den König aufgelehnt hatte. Sie schämte sich für seinen Treuebruch und war gleichzeitig verwirrt, wem sie denn nun Loyalität schuldete, ihrem Vater oder ihrem König?
»Spielt etwas für uns, Anne«, bat Edward. »Aber etwas Fröhliches, wenn ich bitten darf.«
Bereitwillig griff Anne nach der kleinen Harfe, nahm sie auf den Schoß und spielte ein bekanntes, beschwingtes Hirtenlied. Edward summte mit, was der Schönheit des Vortrags eher abträglich war, sodass Anne schließlich die Hände auf die Saiten legte und lachend vorschlug: »Ihr solltet den Löwen in Eurem Wappen durch einen Bären ersetzen, Sire.«
»War’s so schlimm?«, fragte Edward zerknirscht.
Die Damen schwiegen höflich, aber Julian schlug vor: »Ihr könntet die Streckbank und die Daumenschrauben abschaffen und Euren Gefangenen in Zukunft etwas vorsingen. Ich wette, sie würden auf der Stelle alles gestehen.«
Es gab wieder Gelächter, doch der König bemerkte: »Mir scheint, es wird Zeit, dass ich Euch auf dem Sandplatz wieder einmal zurechtstutze, Waringham.«
»Nicht bei der Hitze«, wehrte Julian träge ab. »Morgen früh gern. Im Übrigen steht es nach meiner Rechnung nur sieben zu sechs für Euch. Die Frage, wer wen entwaffnet und zurechtstutzt, wäre also völlig offen.«
Die Glocke der Burgkapelle begann zu läuten.
»Schon Vesper?«, fragte Anne ungläubig, stand auf und strich sich den Rock glatt. Sie hatte schmale Hände, die sich so graziös bewegten wie Schmetterlinge.
»Geht nur schon voraus«, bat Edward die Damen. »Wir kommen gleich nach.«
»Wenn das mal nicht wieder eine Lüge ist«, raunte Anne ihrer schüchternen Freundin zu. »Ist dir nicht auch aufgefallen,dass er ständig die Vesper versäumt? Vermutlich kann man sich das erlauben, wenn man sich im Stande der göttlichen Gnade befindet, aber bedenklich ist es schon …« Mit einem treuherzigen Lächeln knickste sie vor Edward, hängte sich bei Claire ein, und sie schlenderten davon.
»Bei St. Georg …« Edward atmete so tief aus, dass er sich beinah wie ein schnaubendes Pferd anhörte. »Sie ist ja so hinreißend .«
»Das ist sie«, stimmte Julian vorbehaltlos zu.
Die »kleine« Anne Neville, die Julian einst mit einem geschnitzten Kätzchen entzückt hatte, war inzwischen dreizehn Jahre alt, und hätten die Kandidaten, die um ihre Hand
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