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Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige

Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige

Titel: Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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angehalten hatten, sich in einer Reihe aufgestellt, hätte diese vermutlich von London bis Coventry gereicht. Aber der Earl of Warwick hatte alle abgewiesen. Vielleicht, weil keiner ihm gut genug war. Vielleicht auch, weil er den Gedanken einfach nicht ertrug, dieses zauberhafte Geschöpf in fremde Hände zu geben. Anne hatte vollendete Manieren, war gescheit und belesen und hatte für eine so junge Dame schon viel von der Welt gesehen: Sowohl bei der Inthronisierung ihres Onkels als Erzbischof von York als auch beim Hochzeitsbankett der Schwester des Königs mit dem Herzog von Burgund war sie dabei gewesen, und sie verfügte über ein ungezwungenes Selbstbewusstsein. Doch gleichzeitig war sie noch ein Kind: verspielt, naiv, vollkommen unverdorben.
    Wenn Edward sich nicht zusammennahm, waren es hungrige, höchst entlarvende Blicke, mit denen er sie verfolgte. Aber Julian konnte ihm kaum einen Vorwurf daraus machen, denn auch er schloss die Augen und dachte an Anne, wenn er die Tochter der Müllerin, die ebenso lasterhaft wie ihre Mutter war, in der Burgmühle besuchte.
    »Man muss sich wirklich fragen, wie ausgerechnet Richard Neville und Anne Beauchamp ein so unschuldiges und gutartiges Geschöpf zustande bringen konnten«, sagte der König.
    Julian sah auf. »Ja, darüber habe ich auch schon oft gerätselt.«
    Edward nickte. »Mir ist aufgefallen, dass Ihr und die Countess of Warwick keine große Herzensliebe füreinander hegt.«
    »Richtig. Je weniger ich von Anne Beauchamp sehe, desto glücklicher bin ich.« Und er war mehr als nur erleichtert gewesen, als sie vor einer Woche nach Middleham abgereist war, der bevorzugten Burg ihres Gemahls – vermutlich, um ihn dort zu treffen.
    »Ja, sie ist eine Natter«, stimmte Edward zu. »Jedenfalls sagt das die Königin. Und unser Cousin Warwick ist ebenfalls eine Natter, wie wir beide schon gelegentlich herausfinden durften. Aber Anne nicht.«
    »Nein.«
    »Vermutlich ist das allein dem Einfluss Eurer Gemahlin zu verdanken.«
    Julian senkte den Blick auf den halb fertigen Holzritter und schnitzte ihm einen Helm mit geöffnetem Visier.
    Der König seufzte. »Entschuldigt, Waringham. Ich habe vergessen, dass Ihr mit mir nicht gern über Eure Gemahlin redet.«
    »Nicht gern« war nicht ganz zutreffend. Julian verweigerte sich diesem Thema einfach und wurde stumm wie eine Auster, wenn Edward taktlos genug war, es zur Sprache zu bringen.
    Aber heute ließ der König aus irgendeinem Grunde nicht locker. »Wart Ihr … sehr wütend auf mich?«, fragte er. Unmöglich zu entscheiden, ob er zerknirscht oder nur neugierig war.
    Julian schwieg und versuchte mit mäßigem Erfolg, die Helmrundung zu glätten. Es war lange still. Nur die Tauben im Dachstuhl des nahen Caesar’s Towers und die Grillen im hohen Gras am Fuß der Burgmauer waren zu hören. Ohne aufzuschauen, antwortete Julian schließlich. »Ihr könnt Euch nicht vorstellen, wie. Einmal war ich so kopflos vor Zorn, dass ich mit den Fäusten auf Euch losgehen wollte. Ich bin nicht ganz sicher, aber möglicherweise wollte ich Euch töten. Ausgerechnet mein Schwager Hastings hat mich davor bewahrt.«
    Er hätte niemals gedacht, dass er in der Lage wäre, das zu sagen. Aber sie waren seit über zwei Wochen zusammen inWarwick und hatten nichts anderes zu tun, als sich die Zeit zu vertreiben und vorzugeben, dies sei keine Gefangenschaft. Sie waren ihrem Alltag – dem wirklich Leben dort draußen jenseits der hohen Burgmauer – in eigentümlicher Weise entrückt, und diese Distanz machte manche Dinge einfacher.
    »Ich bedaure, dass ich Euch hintergangen und gekränkt habe«, sagte Edward ernst.
    Julian sah auf. »Das könnt Ihr Euch sparen«, erwiderte er kühl. »Es nützt nichts, und ich will es nicht hören.«
    Edward nickte und zupfte sich versonnen am Ohrläppchen. »Das Kind ist gestorben?«, fragte er dann.
    Julian biss die Zähne zusammen und senkte den Blick wieder auf sein Werk. »Ja. Aber ich habe es nicht getötet.«
    »Hat Euch schon einmal jemand gesagt, was für ein erbärmlicher Lügner Ihr seid?«
    Julian schüttelte den Kopf. »Wenn es darauf ankommt, bin ich ein fabelhafter Lügner. Aber ich habe dieses Kind nicht getötet.«
    »Ich bezweifle indessen, dass es gestorben ist.«
    »Kommt nach Waringham, dann zeige ich Euch sein Grab.«
    »Falls Warwick mich je wieder laufen lässt, vielleicht.« Er stützte die Ellbogen auf den Tisch und lehnte sich vor. »Dieses Kind könnte der einzige Sohn sein, den ich je

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