Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
ins Jenseits zu entlassen.«
Warwick zog eine flegelhafte Grimasse. »Du hast völlig Recht. Ich war nicht versessen auf den erzbischöflichen Tadel, den das nach sich gezogen hätte. Nimm Platz, Julian.«
»Danke, ich ziehe es vor zu stehen. Sag, was du zu sagen hast.«
Warwick schnalzte nachsichtig. »Warum so feindselig?«
»Ich bin nicht feindselig, sondern vorsichtig. Du wirst zugeben müssen, dass du mir gelegentlich Anlass gegeben hast, an der Selbstlosigkeit und Aufrichtigkeit deiner Freundschaft zu zweifeln.«
Warwicks Miene wurde finster. »Das sagst ausgerechnet du, du …«
»Fahr ihn nicht an, denn er hat Recht, Richard«, fiel der Erzbischof ihm barsch ins Wort.
»Bildet Euch ja nicht ein, ich würde Euch auch nur um eine Haaresbreite weiter trauen als ihm, Exzellenz«, eröffnete Julian ihm in liebenswürdigem Tonfall.
»Nein, das will ich glauben«, antwortete der Erzbischof. »Auch ich habe Euch gelegentlich Anlass gegeben, an der Aufrichtigkeit meiner Freundschaft zu zweifeln, nicht wahr? Ich hörte allerdings, dass Eure yorkistische Gemahlin mit der gleichen Regelmäßigkeit wie Eure berühmten Zuchtstuten einen kleinen Waringham nach dem anderen zur Welt bringt. So zuwider kann sie Euch also kaum sein. Vielleicht habe ich Euch gänzlich unerwartet einen Dienst erwiesen, aber Ihr seid unfähig, das einzugestehen?«
Julian fühlte seine Wangen heiß werden und sah aus dem Augenwinkel, wie Lucas sich mit verschränkten Armen an dieWand lehnte und breit vor sich hingrinste. »Ich glaube kaum, dass meine Privatangelegenheiten und die Zahl meiner Sprösslinge hier von Belang sind«, gab Julian verdrossen zurück.
»Privatangelegenheiten gibt es für unseresgleichen schon lange nicht mehr«, entgegnete Warwick.
»Ich bin nicht deinesgleichen, Richard. Ich weiß sehr wohl, dass es nicht immer einfach ist, zu seinem König zu stehen, aber ich bleibe bei der Wahl, die ich einmal getroffen habe.«
»Bis zum bitteren Ende, ich weiß«, konterte Warwick. »Ganz gleich, ob sie sich als richtig oder falsch erweist. Weil du ein Dickschädel bist wie alle Waringham, aus keinem anderen Grund.«
Julian machte einen Schritt auf ihn zu. »Meine Gründe mögen dir fragwürdig erscheinen, aber kannst du mir einen einzigen tragbaren Grund dafür nennen, wieso du George of Clarence auf den Thron setzen willst?«
»Wer behauptet denn so etwas?« Warwick tat, als falle er aus allen Wolken.
Julian stieß hörbar die Luft aus. »Mir steht nicht der Sinn danach, mich von dir für dumm verkaufen zu lassen. Wenn ich mich jetzt verabschieden möchte, wirst du mich einsperren, nehm ich an?«
Warwick ging auf die Frage nicht ein. »Niemand hat die Absicht, Edward abzusetzen, Julian«, sagte er beschwichtigend. »Aber er muss zur Vernunft gebracht werden. Er hat viel für England erreicht, aber er ist im Begriff, alles wieder zu zerstören. Weil er sich von der Verwandtschaft seiner Frau und von Männern wie William Herbert gängeln lässt. Das konnte ich nicht länger tatenlos mit ansehen.«
»Wenn du ihn nicht absetzen willst, wieso bringst du dann dieses Schauermärchen in Umlauf, er sei ein Bastard?«
»Das habe ich ihn auch gefragt«, warf der Erzbischof ein. »Es ist wenig originell.«
»Um ihm einen Schreck einzujagen«, gestand Warwick freimütig. »Er drohte zu vergessen, dass er nicht unantastbar ist.«
»Du willst, dass er von deiner Gnade abhängig ist? Das ist ein bisschen gefährlich, denkst du nicht?«
»Darum habe ich meine Tochter mit seinem Bruder verheiratet. Nicht einmal im Zorn wird Edward sich gegen den Schwiegervater seines Thronerben stellen. Des Königs Loyalität der Familie gegenüber ist legendär.«
Und dafür opferst du eine Tochter und zwingst sie zu einer Ehe mit einem trunksüchtigen Taugenichts, dachte Julian beklommen. Ich hoffe, die kleine Anne hat eines Tages mehr Glück als ihre bedauernswerte Schwester. »Das heißt, du willst ihn entmachten, um ihm die Macht anschließend zu deinen Bedingungen zurückzugeben?«
Es war einen Augenblick still. Dann sagte der Erzbischof: »Es klingt ziemlich hässlich, so wie Ihr es ausdrückt, aber darauf läuft es hinaus, ja. Zu Englands Wohl und zu Edwards, der sich von der Königin und den falschen Versprechungen aus Burgund hat blenden lassen.«
»Er kann sich wirklich glücklich preisen, dass er so selbstlose Freunde hat wie Euch«, entgegnete Julian. »Und welche Rolle soll ich in diesem Heldenstück spielen?«
Die Neville-Brüder
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