Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
den Walisern werden, mein Junge.«
»Was nicht weiter schwierig ist, Onkel. Die Waliser sind klein.«
»Nur von Gestalt. Sie haben Herzen wie Drachen.«
»Dafür sei Gott gepriesen.«
Sie lachten. Ein bisschen verlegen, alle beide, aber dennoch war es ein frohes, erleichtertes Lachen.
Der Junge senkte schließlich den Blick. »Ich weiß, du hast all die Jahre über mich gewacht.«
»Ich hätte gern mehr getan.«
Richmond schüttelte kurz den Kopf. »Es war genug. Ich … habe es die ganze Zeit gewusst, und das war genug.«
Jasper nickte wortlos, aber man konnte sehen, dass er das bezweifelte. »Sind irgendwelche Ritter oder Soldaten hier?«, fragte er.
»Nein. Die meisten von Herberts Männern sind gefallen, hörten wir. Malachy Devereux führt eine kleine Wache an, die Lady Anne und die Kinder beschützt, aber sie sind fortgeritten, um Proviant zu beschaffen. Hier hat seit zwei Tagen niemand etwas gegessen.«
»Dann lass uns verschwinden, ehe sie zurückkommen.«
Richmond wandte sich ab. »Ich gehe meine Sachen holen.«
Er war im Handumdrehen zurück, beladen mit einem schweren Bündel. Er hielt es unter dem rechten Arm, und an der linken Seite trug er ein Schwert in einer schmucklosen Scheide.
»Du kannst es hier lassen«, sagte Jasper. »Es wird Zeit, dass du das Schwert deines Vaters bekommst.«
Richmonds dunkle Augen leuchteten, doch er erwiderte: »Wenn du erlaubst, werde ich dieses tragen, bis es so weit ist. Ich bin nicht gerne unbewaffnet.«
Blanche dachte bei sich, dass ein zwölfjähriger Knabe wirklich noch viel zu jung war, um so etwas zu sagen, und es bekümmerte sie, was dieser schlichte Satz über Richmonds Jahre in Black Will Herberts Obhut verriet.
Jasper klopfte dem Jungen die Schulter und wandte den Blick zum Tor. »Wie du willst, Richmond.« Er nahm ihm das sperrige Bündel ab. »Meine Güte, was schleppst du mit dir herum?«
»Ein paar Kleidungsstücke, Großvaters Silberkreuz und die Bibel, die meine Mutter mir einmal geschickt hat.«
»Ein kostbares Buch«, bemerkte sein Onkel.
Madog und Tristan Fitzalan schlossen sich ihnen an, Generys kam mit ihren zwei Kindern aus einem der Nebengebäude gelaufen, und zusammen durchschritten sie das Torhaus und überquerten eine ungemähte Wiese, wo im Schatten einer Gruppe Apfelbäume ein paar Pferde angebunden waren.
Richmond, Rhys, Generys und die Kleinen pflückten Äpfel und wollten gierig darüber herfallen, aber Blanche schritt ein.»Halt, halt. Unreife Äpfel nach zwei Fastentagen ist wirklich überhaupt keine gute Idee.« Sie holte einen Leinenbeutel aus ihrer Satteltasche. »Hier.« Sie brach den halben Brotlaib in fünf großzügige Stücke und verteilte sie an die Hungernden. »Kaut ordentlich und langsam, hört ihr.«
»Ja, Mylady«, murmelten Rhys und die Amme. Richmond nickte ein wenig bockig – wie alle Heranwachsenden empfindlich gegen mütterliche Fürsorge –, folgte dem Rat aber und betrachtete abschätzig das Pferd, das sein Onkel ihm mitgebracht hatte: ein stämmiges, hübsches Pony von vielleicht zwölf oder dreizehn Handbreit Stockmaß.
»Entschuldige, Richmond«, sagte Blanche zerknirscht. »Keiner von uns hat sich so richtig klargemacht, wie groß du geworden bist. Ich werde ihn reiten, du bekommst meinen Fuchs.«
»Ach, Unsinn, das ist doch nicht nötig«, wehrte der Junge verlegen ab.
»Ich bestehe darauf«, entgegnete sie. »Du bist Henry ap Edmund ap Owain, und du kannst nicht durch halb Wales reiten, während deine Füße fast über den Boden schleifen. Was sollen die Leute denken? Du musst deine Stellung wahren. Außerdem ist der wackere kleine Kerl hier mir ans Herz gewachsen, und ich reite ihn gern.«
Richmond sah unsicher zu seinem Onkel Jasper.
Der saß bereits im Sattel und sagte: »Meiner Erfahrung nach ist es einfacher, man tut, was sie sagt.«
Grinsend schwang der Junge sich auf den Rücken des edlen Waringham-Pferdes, das Blanche für gewöhnlich ritt. Sie brauchten die Sättel nicht zu tauschen. Seit Blanche in Wales lebte, hatte sie keinen Damensattel mehr benutzt.
»Wieso müssen wir durch halb Wales reiten?«, fragte der Junge sie. »Sagtest du nicht, wir reiten nach Pembroke?«
Die kleine Kolonne setzte sich in Bewegung. »Ich sagte, ›nach Hause‹», antwortete sie geheimnisvoll.
»Und wo soll das sein, wenn nicht in Pembroke?«
Es war Jasper, der antwortete: »In Penmynydd. Das ist in Anglesey. Penmynydd ist der Stammsitz der Tudors und schonso viele hundert Jahre im Besitz
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