Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
die Schultern. »Dann musst du wohl weiter frieren. Such es dir aus, Liebes.«
Nach einer kurzen inneren Debatte kam Caitlin zu ihr herüber und brachte ihr halb fertiges Eichelmännchen mit.
Blanche legte die Handarbeit beiseite, hob ihre Tochter auf den Schoß und schloss sie in die Arme. »Besser?«
Caitlin nickte, fragte aber: »Warum können wir kein Feuer machen?«
»Wir müssen ein bisschen sparen«, erklärte Blanche. Der Großteil der Ernte war durch den nassen Sommer verdorben, und sie hatte viele Mäuler zu stopfen. Gott allein mochte wissen, wann Jasper zurückkam, um ihr einen Rat zu geben, wie sie ihre Kinder satt bekommen sollte. Sie waren noch nicht in Not, aber Blanche hatte dem Haushalt eiserne Sparsamkeit verordnet.
Vor der Halle erklangen Schritte und Männerstimmen. Richmond wandte den Blick zur Tür und legte die Hand ans Heft, um sich zu vergewissern, dass er bewaffnet war. Blanche war überzeugt, dass diese Geste ihm überhaupt nicht bewusst war.
Die Tür wurde geöffnet, Rhys trat über die Schwelle und verneigte sich vor Blanche – so linkisch wie eh und je. »Euer Bruder«, knurrte er.
»Julian?« Blanche sprang so hastig auf, das Caitlin um ein Haar zu Boden gepurzelt wäre.
»Mutter!«, protestierte das Kind empört.
»Entschuldige, Liebes«, erwiderte Blanche zerstreut und hastete zur Tür.
Julian betrat die Halle, und seine Schwester fiel ihm um den Hals, ehe er Gelegenheit hatte, sich umzuschauen.
»Blanche.« Er küsste sie auf die Wange, dann trat er einen Schritt zurück, und sie sahen sich an. Acht Jahre, dachte Blanche, ungläubig und kummervoll zugleich. Acht Jahre. Julian hatte sich kaum verändert. Wie hinterhältig das Alter doch war, dass es mit Männern so viel gnädiger umging als mit Frauen. Bis auf ein paar Krähenfüße war das Gesicht ihres Bruders faltenlos, das Haar dicht und blond, die Augen so blau und voller Neugier und Lebenshunger wie eh und je. Nur eine Spur ernster war der Ausdruck geworden, aber so sollte es auch sein. Julian hatte gelebt, und das Leben hinterließ eben seine Spuren.
»Wo ist Jasper?«, fragte sie. »Hast du ihn mitgebracht?«
Er schüttelte den Kopf. »Wir haben uns in Barfleur getrennt. Er war wohlauf – wenn auch grässlicher Laune. Ich schätze, es dauert nicht mehr lange, bis er zurückkommt.«
Blanche nickte. Sie wusste, dass Stürme und burgundische Schiffe Jasper, Warwick und ihre Flotte seit Wochen hinderten, den Kanal zu überqueren, aber früher oder später musste der Wind ja einmal drehen. »Wie kommst du dann hierher?«
»Für ein einzelnes Schiff ist es leichter als für ein paar hundert. Einer von uns musste unbedingt nach England zurück, denn wir hörten ein Gerücht, die Yorkisten hätten von unseren Plänen Wind bekommen. Und es stimmt. Edward hebt Truppen aus, und die Lancastrianer tauchen unter und sammeln sich heimlich. Blanche, ich … ich bringe dir meine Familie. Ich fürchte, Janet und die Kinder könnten in England in Geiselhaft geraten, und ich wusste einfach nicht …«
»Ihr könnt sie gleich wieder mitnehmen«, fiel Rhys ihm rüde ins Wort. »Wir wissen selbst nicht, wie wir über den Winter kommen sollen, und außerdem …«
Aber auch er wurde unterbrochen. »Rhys.« Die Stimme war nicht laut, aber so schneidend, dass alle sich umwandten. Richmond hatte sich von seinem Schemel erhoben.
»Oh, mein Gott«, flüsterte Julian. Langsam trat er auf den Jüngling zu, blieb vor ihm stehen und betrachtete ihn mit verräterisch strahlenden Augen. »Henry.«
Richmond verneigte sich, und dann lächelte er. »Mylord. Ihr und die Euren seid willkommen in meinem Haus, solange Ihr es wünscht.« Bei einem anderen Knaben hätte es vielleicht albern oder großspurig geklungen, wie er »mein Haus« sagte, nicht aber bei Richmond. »Es wird mir eine Ehre sein.«
»Die Ehre ist die meine. Du …« Julian musste sich räuspern. »Du hörst es wahrscheinlich ständig, aber es ist unglaublich, wie ähnlich du deinem Vater siehst.«
Mit knapp vierzehn reichte Richmond Julian bis an die Schulter, und sein von Natur aus eher schmales Gesicht hatte die letzten Rundungen der Kindheit abgelegt. Es stimmte, ging Blanche auf. Bis auf die dunkleren Haare war Richmond das Abbild seines Vaters.
Der Junge schüttelte langsam den Kopf. »Ich begegne nicht oft Menschen, die meinen Vater gekannt haben. Er war mehr Engländer als Waliser, scheint mir, Mylord.«
»Nenn mich Julian, um Gottes willen.«
»Ihr … du führst den
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