Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
schüttelte den Kopf, fast ein wenig benommen, so schien es. »Nichts.«
»Aber dann ist deine Gemahlin dir mehr ans Herz gewachsen, als du zulassen wolltest? Und weil dir das nicht geheuer war, warst du ihr untreu und hast dafür gesorgt, dass sie es herausfindet?«
»Blanche, langsam wirst du mir unheimlich. Hast du hellsichtige Träume?«
»Manchmal«, räumte sie ein. »Hast du nie welche?«
»Nur ein einziges Mal. Als du deinem Gemahl die Hand abgehackt hast.«
Sie verzog den Mund. Das war bis auf den heutigen Tag eine Episode, an die sie lieber nicht dachte, und darum kehrte sie zu ihrem eigentlichen Thema zurück. »Also? War es so, wie ich gesagt habe?«
Julian schüttelte den Kopf. »Ich wollte nicht, dass sie es herausfindet. Aber es ist eben passiert, und nun macht sie ein riesiges Gewese darum, und um dir die Wahrheit zu sagen: Ich bin ratlos.«
»Du könntest sie um Verzeihung bitten«, schlug Blanche vor.
»Wozu? Ich würd’s morgen wieder tun.«
»Warum?«
»Warum nicht?«
»Na ja, weil es sie kränkt. Weil du vor Gott geschworen hast … Ach nein. Hast du nicht.«
»Hab ich nicht«, bestätigte er mit Nachdruck. »Und sie hat keinen Grund, gekränkt zu sein. Alle Männer tun es, oder?«
Blanche schüttelte entschieden den Kopf. »Jasper tut es nie.«
»Bist du sicher?«, fragte er. Es klang eher erstaunt als höhnisch.
Sicher konnte sie nicht sein, ging ihr auf. Sie hatte keine Ahnung, was Jasper trieb, wenn er wochen- oder monatelang fort war. Dennoch antwortete sie im Brustton der Überzeugung: »Vollkommen.«
»Nun ja. Ihr seid ja auch nicht verheiratet«, gab Julian grinsend zurück, und sie lachten. Verschwörerisch, verwegen, mit diebischem Vergnügen – genau wie früher.
Dann wurde Blanche wieder ernst, nahm die Rechte vom Zügel und drückte die Linke ihres Bruders. »Gib dir ein bisschen Mühe, hm? Zeig ihr, dass sie dir nicht gleichgültig ist. Du musst dich mit ihr versöhnen, ehe du aufbrichst, Bruder, denn du ziehst in den Krieg.«
Er nickte. Dann fragte er: »Stimmt es, was Rhys gesagt hat? Hattet ihr eine schlechte Ernte?«
»Ja. Aber ich will trotzdem, dass du deine Familie hier lässt. Mach mir die Freude. Ich bekomm sie schon satt.«
»Das wirst du«, versprach Julian. »Ich hab den ganzen Schiffsbauch voll Weizen, Hafer und Rotwein. Morgen früh löschen wir die Ladung, und ich nehme an walisischen Bögen mit, was ich kriegen kann.«
Julian empfand die Abgeschiedenheit und die ländliche Idylle von Penmynydd als ebenso heilsam, wie seine Schwester es getan hatte, und darum fand er es schwierig, sich davon loszureißen. Nachts stürmte es, und auch tagsüber blieb das Wetter nass und ungemütlich, aber davon ließ Julian sich nicht schrecken. Er, Lucas und Tristan ritten kreuz und quer durch Anglesey und kauften Bögen. Hier in Wales war der Langbogen entwickelt worden, dem die Engländer ihre vielen Siege auf französischen Schlachtfeldern zu verdanken hatten, und nirgendwo wurden bessere gebaut. Nachmittags ging Julian mit Owen und Robin zum Fischen, und im lautlosen Regen machten sie meist einen hervorragenden Fang. Er tobte mit seinen Töchtern und Nichten im Heu, erteilte allen Kindern, die wollten, Reitunterricht,schulte Mortimer und Richmond unter den neidischen Blicken der kleineren Jungen in den ritterlichen Künsten und ließ sie gegeneinander zu Übungskämpfen antreten. Richmond war hervorragend ausgebildet, stellte Julian ebenso fest wie Jasper vor ihm.
»Fehlt dir dein altes Leben nicht manchmal?«, fragte er den Jungen, als sie nebeneinander am Feuer saßen und mit Heißhunger die Pflaumenpfannküchlein vertilgten, die Generys ihnen gebracht hatte. »Ein Hof voller Ritter, Knappen und Pferde, wo man zu jeder Stunde Waffenklirren und den Schmiedehammer hört?«
Richmond schüttelte den Kopf. »Noch nicht, jedenfalls. Sicher, es ist sehr still hier. Und wenn du und Mortimer wieder fortgeht, habe ich keinen Trainingspartner mehr.« Er schwieg einen Augenblick und dachte nach, ehe er fortfuhr. Das tat er oft, war Julian aufgefallen. Richmond hatte die gleiche bedächtige Art zu sprechen wie sein Vater. »Ich glaube, hier lerne ich gerade, wer ich eigentlich bin. Darüber hat Black Will Herbert mir nichts als Lügen erzählt, stelle ich nach und nach fest. Jetzt erfahre ich die Wahrheit über meine Wurzeln, und auf einmal kann ich Dinge verstehen, die mir bislang immer rätselhaft waren. Unheimlich sogar. Das scheint mir im Moment wichtiger als
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