Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
Blanche erklärte der Köchin, warum der junge Tudor von so großem Interesse für König Edward war.
Mabilia ließ ihr Huhn sinken und saß da wie vom Donner gerührt. »Unser junger Lord Richmond soll König von England werden?«, fragte sie fassungslos.
Blanche verbiss sich ein freudloses Lächeln. »Na ja. Von Rechts wegen sollte er das. Aber seine Chancen standen nie schlechter als heute.«
»Ein Waliser ? Auf dem englischen Thron?«
»Schsch, sei doch leise, um Himmels willen«, zischte Blanche und sah sich verstohlen um. Es war still im sonnenbeschienenen Burghof. Ein paar Wachen lungerten an der Waffenschmiede herum, im Schatten der Kapelle saßen drei Knappen im Gras um einen ausgebreiteten Mantel, auf dem sie die Würfel rollen ließen. Niemand war in der Nähe, der sie belauschen konnte.
»Heiliger David«, murmelte die Köchin. »Lass es wahr werden, auf dass die Knechtschaft deines Volkes ein Ende nehme …« Verstohlen wischte die alte Frau sich mit dem Ärmel über die Augen.
Blanche war erstaunt. Mabilia war ihr immer unerschütterlich wie ein Findling erschienen, und hätte ein Findling plötzlich Tränen vergossen, hätte Blanche kaum überraschter sein können. Aber wenn man darüber nachdachte, war die Erschütterung der alten Köchin gar nicht so verwunderlich. Blanche hatte lange genug in Wales gelebt, um zu wissen, wie sehr dieses stolze Volk unter der englischen Herrschaft litt, die ihnen ihr Land, ihre althergebrachten Sitten, vor allem ihre Selbstachtung zu rauben trachtete. »Ja«, sagte sie langsam. »Ich nehme an, für Wales würde sich alles ändern, wenn Richmond je zu seinem Recht käme.«
Die Köchin nickte, sah auf den Korb mit den geschlachteten Hühnern hinab, zur Halle hinüber, dann zum Westturm.
Blanche folgte ihrem Blick und fragte: »Was heckst du aus? Woran denkst du?«
»Daran, wie leicht man Bärlauch mit Schierling verwechseln kann. Und wenn mir dieser Irrtum nun unterliefe, Lady Blanche, und Malachy Devereux und seine Raufbolde heute Abend alle Schierling statt Bärlauch im Eintopf hätten, was wäre dann?«
»Dann hätten du und ich uns schwer versündigt, weil wir Giftmörderinnen wären«, entgegnete Blanche versonnen. »Nähmen wir aber Bilsenkraut statt Schierling, würden sie morgen früh alle wieder aufwachen. Mit einem dicken Schädel, der eine oder andere mit Übelkeit und Bauchkrämpfen, aber ich nehme an, eine kleine Buße täte ihnen allen ganz gut, nicht wahr?«
Ein gefährliches Lächeln, das Schadenfreude und Rachgier zu gleichen Teilen ausdrückte, malte sich auf dem faltigen Gesicht der Köchin ab, und ihre Augen leuchteten. Doch dann fiel ihr ein, wo der Haken an diesem Plan war. »Wenn sie wieder aufwachen, hängen sie mich auf. Der junge Devereux ist kein Dummkopf, Mylady. Er wird genau wissen, was passiert ist.«
»Dann musst du eben mit uns kommen«, schlug Blanche vor.
»Wohin?«
Blanche schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht. Nach Frankreich, schätze ich. Jedenfalls vorerst.«
Mabilias Augen wurden groß und unruhig. »Fort aus Pembroke? Aus Wales ? Oh Gott …«
Blanche legte ihr die Hand auf den Arm. »Ich weiß, es wäre ein großes Opfer. Denk darüber nach und triff deine Entscheidung in Ruhe. Ich schleich mich hinunter zum Hafen und sehe zu, wie es mit der Red Rose steht.« Und sammle ein wenig Bilsenkraut, fügte sie in Gedanken hinzu.»Verfluchtes Engländerpack!«, schimpfte Rhys vor sich hin. »Wollen sie uns verhungern lassen?«
Sein älterer Bruder wandte sich ungeduldig zu ihm um, und die Kette, die von seinem rechten Knöchel zu einem Eisenring in der Wand führte, rasselte. »Hör auf zu jammern«, fuhr er ihn an. »Wir haben ganz andere Sorgen als Hunger.«
»Ihr vielleicht«, konterte Rhys. »Aber ich will verdammt sein, wenn …«
»Sie bringen uns nichts zu essen, weil sie wissen, dass wir es ohnehin nicht anrühren würden«, fiel Jasper ihm ins Wort. »Jedenfalls würde keiner außer einem Narren wie dir Brot aus der Hand seines Feindes essen, das mit großer Wahrscheinlichkeit vergiftet wäre.«
»Hört auf zu streiten.«
Richmond hatte gesprochen, ohne aufzusehen, und seine Stimme klang ein wenig matt, aber seine Onkel schwiegen beide.
Vor ihren Augen hatte Malachy Devereux den Jungen geschlagen und getreten, bis Richmond blutend im Stroh lag und sich nicht mehr rührte. Jasper hatte geglaubt, der Anblick werde ihn um den Verstand bringen, und er hatte getobt und gebrüllt, während es passierte,
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