Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige

Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige

Titel: Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
Vom Netzwerk:
lautlos huschte Blanche hinunter. Die Treppe endete in einem fast kreisrunden Vorraum mit drei Türen. Welche?, überlegte sie. Jasper hatte ihr diese Verliese einmal gezeigt, in den lang entschwundenen, glücklichen Tagen, als sein Bruder noch König von England und er noch Earl of Pembroke gewesen war. Er war übermütiger Stimmung gewesen und wollte, dass Blanche sich ein wenig gruselte. Darum hatte er ihr die Ketten gezeigt, die rauen, rostigen Schellen um ihre Handgelenke gelegt, damit sie spürte, wie es sich anfühlte. Und jetzt könnte ich sie zuschließen und dann mit dir tun, was immer mir beliebt , hatte er gesagt. Tu’s doch, wenn du dich traust …
    Bei der Erinnerung biss Blanche sich unbewusst auf die Unterlippe, aber dann rief sie sich zur Ordnung. Jetzt war wirklich nicht der geeignete Zeitpunkt für nostalgische Erinnerungen. »Ketten«, murmelte sie vor sich hin. »Es gibt nur in einem Verlies Ketten. Das da.« Sie trat an die linke der Türen. »Und wo zur Hölle sind die Schlüssel?«
    »An meinem Gürtel, Madam«, sagte eine höfliche junge Stimme hinter ihr.
    Blanche wirbelte herum. Im Lichtschimmer von der Treppe sah sie eine hohe, schlanke Gestalt näher kommen, aber sie konnte keine Züge erkennen. »Wer seid Ihr?«, fragte sie erschrocken. »Was habt Ihr hier unten verloren?«
    »Mit Verlaub, aber die gleichen Fragen könnte ich Euch stellen. Ich halte hier die Nachtwache.«
    Blanche wusste nichts zu sagen. Reglos stand sie da, mit herabbaumelnden Armen, und fragte sich, wie sie es aushalten sollte, so kurz vor dem Ziel gescheitert zu sein.
    Der gesichtslose Wächter wandte sich zur Treppe. Blanche huschte zur Tür hinüber und tastete nach einem Riegel, fand aber nur ein großes Schlüsselloch.
    »Auch dieser Schlüssel ist an meinem Gürtel«, erklärte der Nachtwächter. Fackelschein fiel auf die schwere Eichentür und malte ihren Schatten darauf. »Wäret Ihr wohl so gut, Euch umzudrehen, Madam?«
    Was blieb ihr übrig? Langsam wandte sie sich zu ihm um, und im flackernden Licht sahen sie einander mit unverhohlenem Schrecken an.
    »Mutter …«, entfuhr es dem jungen Mann, dann wich er einen Schritt zurück, schüttelte verwirrt den Kopf und errötete.
    Es war Andrew Devereux, der jüngste ihrer drei Stiefsöhne. Er musste jetzt um die zwanzig sein, rechnete sie aus, aber in diesem Moment der Verlegenheit wirkte er sehr viel jünger.
    Blanche trat einen Schritt auf ihn zu und ergriff seine freie Hand. »Andrew. Mein kleiner Andrew.« Sie lachte leise, genauso verlegen wie er. »Es tut mir leid, dass ich dich im Stich gelassen habe. Du warst der Einzige, um den es mir leid getan hat. Ich weiß, dass das nichts nützt, aber ich bin trotzdem froh, dass ich Gelegenheit bekommen habe, dir das zu sagen.«
    Er sah ihr noch einen Moment mit weit aufgerissenen Augen ins Gesicht, dann befreite er seine Hand und senkte den Blick. »Ich …« Er räusperte sich. »Ich bin Euch nicht böse. Zuerst war ich kreuzunglücklich, aber richtig böse war ich Euch eigentlich nie. Ich habe verstanden, warum Ihr es getan habt. Vater war … ist so ein harter Mann. Und Ihr wart ein Schmetterling. Ich war froh, dass Euch die Flucht gelungen ist.«
    Blanche war sprachlos. Diese Absolution war der unglaublichste Akt von Großzügigkeit, der ihr je zuteil geworden war. »Ich merke, du bist anders als er und dein Bruder.«
    Ein Lächeln huschte über das fast noch bartlose Gesicht, und er hob unbehaglich die Schultern. »Das hat sie nie sonderlich für mich eingenommen«, bemerkte er ironisch. »Sie sagen übrigens, es sei Eure Schuld. Und sie haben Recht. Ich …konnte nie vergessen, wie es war, solange Ihr da wart. Ihr wart immer gütig zu mir.«
    Blanche verzog schmerzlich den Mund. »Bis ich dich im Stich gelassen habe.«
    »Vielleicht habt Ihr das, ich bin nicht sicher. Und es war schlimm, zuerst, als Ihr fort wart. Aber ich habe diese … Wärme immer noch gespürt.« Er tippte kurz auf seine linke Brust. Plötzlich erstrahlte sein Gesicht in einem unkomplizierten Jungenlächeln. »Es ist schön, Euch wiederzusehen, wisst Ihr.«
    Blanche stellte verwundert fest, dass es ihr ebenso erging. Für einen winzigen Augenblick spielte sie mit dem Gedanken, wieder näher auf ihn zuzugehen, ihm in mütterlicher Güte die Stirn zu küssen, um ihm dabei den Dolch zu stehlen und an die Kehle zu setzen, damit er die Schlüssel herausrückte. Aber sie musste feststellen, dass sie das nicht fertigbrachte.
    »Ich bin so froh,

Weitere Kostenlose Bücher