Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
meines Vaters, sich auf die Seite der Lancastrianer zu schlagen, nie verstanden, geschweige denn gebilligt habe. Er hat mich beschämt, wenn Ihr die Wahrheit wissen wollt. Und ich habe Edouard geheiratet, weil eine Tochter, die ihre Ehre bewahren will, tun muss, was ihr Vater wünscht, aber es war nicht meine freie Wahl. Edouard … war ein höfischer Prinz mit vollendeten Manieren, aber er hatte nicht mehr Interesse an mir als ich an ihm. Er hatte nichts als Krieg und Rache im Sinn. Seine Mutter hat immer dafür gesorgt, dass wir keine Gelegenheit bekamen, einander näherzukommen. Und sein Hass auf die Yorkisten hatte etwas Beängstigendes. Er hat mich abgestoßen, dieser Hass. Wieso soll ich Trauer heucheln, wenn ich keine empfinde? Es tut mir leid, dass er so jung sterben musste. Aber ich müsste lügen, wollte ich behaupten, es wäre ein persönlicher Verlust für mich. Und mein Vater …« Sie wischte sich mit einer verschämtenGeste die Tränen von den Wangen und faltete dann die Hände im Schoß. »Früher habe ich meinen Vater angebetet. Aber er hat meinen König verraten, Mylord. Es macht mich traurig, dass er tot ist. Dass ich ihn nie wieder sehen, sein Lachen nie wieder hören werde. Aber meine Liebe war nicht mehr so ungetrübt wie früher. Es ist mir nie gelungen, ihm seinen Verrat an König Edward, diese Hinterhältigkeit zu verzeihen.« Sie sah auf. »Ich bin dazu erzogen worden, zu glauben, dass die Krone York gehört. Darum fühlt es sich für mich so an, als seien die Dinge jetzt wieder so, wie sie sein sollen. Mein Vater und Edouard standen auf der Seite des Unrechts und mussten die Folgen tragen.«
»Es ist so unglaublich borniert, was Ihr da sagt, dass ich kaum glauben kann, wirklich Anne Neville vor mir zu haben.«
»Richard hat mir diese Dinge erklärt«, räumte sie ein. »Aber er hat Recht. Ich fühle in meinem Herzen, dass er Recht hat.«
»Richard?«, wiederholte Julian verwirrt.
Anne nickte. »Der Duke of Gloucester, Mylord. Mein Verlobter.«
Julian stand abrupt auf, brachte ein paar Schritte Abstand zwischen sie, kreuzte die Arme, kehrte zu ihr zurück. »Anne … Um Himmels willen, Kind, das dürft Ihr nicht tun. Ihr müsst Euch wehren. Bittet die Königin um Hilfe, sie wird mit dem König sprechen. Und Edward wird Euch nicht zwingen, seinen Bruder zu heiraten, wenn Ihr …«
Ihr glockenhelles Lachen unterbrach ihn. »Aber Ihr missversteht mich, Mylord. Ich liebe Richard, seit ich ein kleines Mädchen war. Es ist mein größter Traum, der in Erfüllung geht.«
»Ihr liebt ein Ungeheuer, Madam«, teilte er ihr knapp mit.
Anne hob das Kinn, und er sah in ihren Augen, wie er von ihrem Freund zu ihrem Feind wurde. Es ging so rasant schnell, dass es ihm beinah den Atem verschlug. »Und ich dachte, Ihr wäret anders«, sagte sie. Es klang angewidert. »Aber Ihr seid genauso verbohrt und verblendet wie alle anderen Lancastrianer.«
»Mag sein, aber meine Einschätzung des Duke of Gloucester beruht nicht auf meiner politischen Gesinnung, sondern auf persönlicher Erfahrung.«
»Richard ist der ehrenhafteste Gentleman, den ich kenne, und ich werde mir keine weiteren Verleumdungen gegen ihn anhören«, beschied sie hitzig.
»In dem Fall bleibt mir nichts, als Euch für Euren Besuch zu danken, Lady Anne.« Er erwog, ohne ein weiteres Wort zu gehen, aber das brachte er nicht fertig. Er hatte dieses Mädchen vor so langer Zeit ins Herz geschlossen, dass er sie jetzt nicht so ohne weiteres daraus verstoßen konnte. »Ich fürchte, Ihr werdet Eurem Verlobten ausrichten müssen, dass auch diese List ihn nicht zu meiner Frau und meinen Kindern führen wird, denen er nach dem Leben trachtet.«
»Wie könnt Ihr so etwas Ungeheuerliches behaupten?«
»Nun, es ist völlig unerheblich, ob Ihr es glauben wollt oder nicht, denn das ändert nichts an den Tatsachen.«
Anne erhob sich ebenfalls, streckte zaghaft die Hand aus und ließ sie dann wieder sinken. »Mylord, geht so nicht fort, ich bitte Euch. Warum seid Ihr so kühl? Könnt Ihr mir mein Glück wirklich nicht gönnen?«
Er betrachtete sie noch einen Moment, und er hatte Mühe, seinen Zorn über seine Machtlosigkeit nicht zu zeigen. »Ich gönne Euch jedes Glück der Welt, Anne. Aber Richard of Gloucester wird Euch keines bringen. Er will Euch heiraten, um seine Ansprüche auf die Ländereien Eures Vaters zu sichern. Es tut mir leid, wenn meine Offenheit Euch kränkt, aber es ist die Wahrheit.«
»Er liebt mich«, widersprach sie wütend.
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