Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
Schulter und trat näher. Die Wachen machten kehrt und verschwanden.
Warwicks Tochter trug ein herrliches, verschwenderisch mit Perlen besticktes Kleid aus blauer Seide, das ihre schönen Augen zur Geltung brachte. »Mylord of Waringham.« Sie lächelte ihm entgegen. Es war nur ein kleines Lächeln, aber Julian sah, dass sie ihren Kummer über den Tod des Vaters und des Gemahls überwunden hatte.
»So solltet Ihr mich lieber nicht mehr nennen, Mylady. Das bin ich nicht mehr.« Er beugte sich über die Hand, die sie ihm reichte. Zierlich, lilienweiß und kühl.
»Nein, ich weiß. Aber für mich werdet Ihr das immer sein. Auch wenn Ihr vorgegeben habt, ein Stallbursche zu sein, als wir uns kennen lernten.«
So sehr ihr Übermut ihn auch befremdete, fand er sich dennoch davon angesteckt. »Das ist eine alte Familientradition.«
Sie rückte ein Stück zur Seite. »Setzt Euch zu mir«, lud sie ihn ein.
Julian nahm Platz, schlug die langen Beine übereinander und wandte ihr das Gesicht zu. Ein Hauch ihres Parfüms stieg ihm in die Nase, ein schwerer, betörender Lilienduft. Der Wind flüsterte in den Birkenblättern, und die Sonne schien warm auf Julians Hände. Wie schön die Welt sein kann, dachte er flüchtig.
Verstohlen atmete er tief durch. »Was verschafft mir diese unverhoffte Ehre?«, fragte er.
»Die Königin hat dafür gesorgt, dass der König mir erlaubte,Euch zu besuchen. Sie ist Euch so dankbar dafür, dass Ihr sie und ihre Töchter letztes Jahr davor bewahrt habt, den Lancastrianern in die Hände zu fallen, wisst Ihr. Und insgeheim ist auch der König Euch dafür dankbar. Aber als sie ihn gebeten hat, Euch freizulassen, hat er abgelehnt. Sie haben gezankt wie die Marktweiber, Mylord.«
Julian lächelte. Dann lehnte er sich zurück und sah in das silbrige, sonnenbetupfte Blätterdach hinauf. »Tja. Letzten Herbst hatten wir alle Trümpfe in der Hand und konnten uns den Luxus schöner Gesten leisten. Das ist nicht einmal ein dreiviertel Jahr her. Jetzt sind wir endgültig geschlagen und in der demütigenden Lage, die schönen Gesten und die Barmherzigkeit unserer Feinde über uns ergehen lassen zu müssen.«
»Ich hoffe, Ihr meint damit nicht die Freundschaft, die die Königin für Euch hegt. Sie sollte Euch nicht demütigen, denn sie kommt von Herzen.«
Julian nickte. »Ich weiß. Trotzdem. Der Graben ist unüberbrückbar geworden. Jede Freundschaft zwischen Lancastrianern und Yorkisten wäre in Anbetracht der Dinge, die passiert sind, der pure Hohn, denkt Ihr nicht?«
Sie sah ihn unglücklich an und wich einer Antwort aus. »Sagt mir, wie es Euch geht, Mylord. Es hieß, Ihr hattet eine schwere Schussverletzung.«
»Oh, das ist längst vergessen«, versicherte er. »Und meine derzeitige Lage verurteilt mich zum Müßiggang, sodass mir nichts anderes übrig bleibt, als mich zu erholen.«
»Das beruhigt mich. Und was ist mit Eurer Gemahlin und Euren Kindern? Nicht einmal Lord Hastings scheint zu wissen, wo sie sind. Sind sie in Sicherheit? Kann ich irgendetwas für sie tun?«
Julian schüttelte den Kopf. »Ich bin überzeugt, dass es ihnen an nichts mangelt. Lady Janet weiß sich immer zu helfen, wie Ihr Euch wahrscheinlich erinnert.«
»Trotzdem wäre mir wohler, ich könnte mich davon überzeugen. Habt Ihr denn nicht einmal eine Ahnung, wo sie sein könnten?«
Julian sah ihr einen Moment in die Augen. Groß, blau, unschuldig und voller Anteilnahme. »Wie kommt es, dass Ihr keine Trauer mehr tragt, Mylady?«, fragte er scheinbar unvermittelt.
»Was?«, fragte sie verdutzt. »Ich verstehe nicht …«
»Ihr versteht mich sehr gut«, widersprach er leise. »Euer Gemahl und Euer Vater sind erst wenige Wochen tot, und Ihr kleidet Euch, als seiet Ihr zu einem Bankett bei Hofe geladen. Vermutlich seid Ihr das«, fügte er nach einem Moment hinzu. »Ihr steht dem yorkistischen König und seiner Königin nahe genug, um zu wissen, wann und worüber sie streiten, und erwartet, dass ich Euch meine Vermutungen bezüglich des Verbleibs meiner Frau und meiner Kinder anvertraue? Ihr müsst mich wirklich für den König aller Einfaltspinsel halten.«
Sie besaß zumindest genügend Anstand, um bis in die Haarwurzeln zu erröten. Es dauerte einen Moment, ehe sie ihn wieder anschauen konnte, und sie schüttelte inbrünstig den Kopf dabei. »Ihr tut mir Unrecht, Mylord.«
»Ja, das hoffe ich«, erwiderte er kühl.
»Ich bin keine yorkistische Spionin. Aber Ihr solltet nicht vergessen, dass ich den Schritt
Weitere Kostenlose Bücher