Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
Oder vielleicht will er es nicht glauben.
Richmond wusch sich das Blut vom Gesicht, ließ das rötliche Wasser ins Stroh rinnen und zeigte mit dem Finger darauf. »Was denkst du, Onkel? Müssen wir es einsammeln undbei Gelegenheit in ein Reliquiar stecken, weil königliches Blut darauf getropft ist?«
Jasper und Madog lachten.
Mit untypisch verschmitzter Miene riss der Junge ein Stück aus seinem Wams, tauchte es in den Krug und kühlte sein geschwollenes Auge. »Wir könnten die blutgetränkten Strohhalme einzeln verkaufen und so unsere Kriegskasse aufbessern«, schlug er vor.
»Und wenn der Vorrat schwindet, brauchen wir Euch nur wieder die Nase blutig zu schlagen«, stimmte Madog zu. »Eine Quelle des Reichtums, die niemals versiegt.«
Sie alberten noch ein bisschen herum, und obwohl es lästerliche Reden waren, ließ Jasper sie gewähren. Wenn das ihre Art war, ihrer Furcht Herr zu werden, hatten sie seinen Segen. Er selbst tat das, was er immer getan hatte: Er betete um die Kraft und den Mut, die er brauchen würde für das, was geschah, wenn diese Tür sich das nächste Mal öffnete. Jasper Tudor hatte früh gelernt, dass Gott ihn nie erhörte, wenn er um Erlösung oder einen leichten Ausweg bat. Aber dieses Gebet war noch nie auf taube Ohren gefallen.
In der kleinen Halle von Pembroke Castle war es geradezu unheimlich still. Nur das Knarren eines losen Fensterflügels in der sachten Meeresbrise war zu hören, das Zischen einer unruhigen Kerze. Aber keiner der Männer, die in den Binsen am Boden oder mit dem Kopf auf der Tafel eingeschlafen waren, verursachte einen Laut.
»Sie schlafen wie tot«, murmelte Mabilia nervös.
»Aber das sind sie ja nicht«, erinnerte Blanche sie beschwichtigend. Jedenfalls hoffte sie das. Auch Bilsenkraut konnte gefährlich sein, wenn die Dosis zu hoch war. Doch wie zu ihrer Beruhigung regte sich plötzlich einer der Schläfer, sein Arm rutschte von der Tischplatte, und seine Wange landete im erkalteten Eintopf. Er wachte nicht auf.
Blanche atmete verstohlen tief durch. Sie zählte. »Das sind sieben«, flüsterte sie. »Wo sind die anderen?«
»Sir Malachy und einige seiner Männer, die nicht so viel getrunken hatten, haben es noch bis in die Betten geschafft, als die Schläfrigkeit sie überkam«, wusste die Köchin zu berichten.
»Meinst du, sie haben Verdacht geschöpft, als sie plötzlich alle so müde wurden?«
Die alte Frau hob die Schultern. »Glaub nicht. Aber selbst wenn? Sie werden trotzdem selig schlummern, Mylady.«
Blanche nickte. »Also schön. Lass uns verschwinden. Ich habe sechs Pferde gesattelt und hinter der Schmiede angebunden. Geh dorthin und warte.«
»Ich kann nicht reiten, Lady Blanche.«
»Doch, du kannst, glaub mir.«
Aber die Köchin schüttelte den Kopf. »Ich würde Euch nur aufhalten. Ich hab’s mir überlegt. Ich gehe zu meiner Schwester nach Carmarthen. Das schaffe ich in zwei Tagen, und kein Engländer wird mich je dort finden.«
Blanche sah sie einen Moment an, nickte dann und umarmte sie kurz. »Gott segne dich für alles, was du für uns getan hast, Mabilia.«
Ein wenig schroff befreite die alte Frau sich. »Ja, ja«, brummte sie. »Sagt dem Jungen, er soll das walisische Volk von der Knechtschaft erlösen, wenn er König wird, damit ich zufrieden sterben kann.«
»Ich werd’s nicht vergessen«, versprach Blanche.
Sie wartete, bis die leisen Schritte der Köchin auf der Treppe zur Küche verhallt waren, dann nahm sie vier der schlummernden Ritter die Schwerter ab und trug sie hinunter in den Burghof. Es war eine schwere Last, und bald geriet sie ins Schwitzen. Die Burg war so still, dass einem gruselig davon werden konnte, und es war Neumond. Ein Glück, dass ich mich hier so gut auskenne, dachte Blanche flüchtig, und prompt stolperte sie über einen hochstehenden Pflasterstein im Hof, und die Waffen fielen scheppernd zu Boden. Sie erstarrte, zog den Kopf ein und lauschte in die Finsternis. Nichts.
Sie hob die Schwerter mühsam wieder auf, trug sie zu denPferden hinter der Schmiede, und auf dem Weg zum Westturm warf sie einen Blick zum Haupttor hinüber. Zwei Mann standen dort auf Wache. Zwei sollten kein Problem sein, wusste sie. Vorausgesetzt, dass es den Gefangenen gut genug ging, um eine Flucht zu versuchen. Sie hatte schließlich gesehen, was Malachy Devereux getan hatte. Und sie wusste, wie er war …
Die Stiege, die ins Kellergeschoss des Westturms führte, war von einer einzelnen Fackel erleuchtet. Rasch und
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