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Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige

Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige

Titel: Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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stand auf, winkte, und sie traten so dicht zusammen, dass sie flüstern konnten. »Richmond, Tudor und meine Schwester sind in Sicherheit«, berichtete Julian tonlos. »Aber ich verstehe nicht, wo. Im ›Land der Lais‹, schreibt Megan.«
    Mortimers Augen leuchteten auf. »Dann sind sie in der Bretagne«, wisperte er. »Lais sind bretonische Gedichte.«
    Julian klopfte ihm anerkennend die Schulter. »Wie gut, dass wenigstens einer von uns höfische Bücherbildung besitzt.«
    »Und jetzt?«, fragte Lucas.
    »Jetzt, da wir das endlich wissen, werden wir die Gastfreundschaft der Yorkisten nicht länger in Anspruch nehmen, Gentlemen«, erklärte Julian. »Heute Nacht verschwinden wir aus dem Tower.«
    Ein erlöstes Lächeln erstrahlte auf Lucas’ Gesicht. »Durch den Geheimgang im White Tower?«
    Julian schüttelte den Kopf und wies auf das schmale Fenster ihres Quartiers. »Da hinaus.«
    Ritter und Knappe wechselten einen ungläubigen Blick und traten dann nebeneinander ans Fenster. Julian folgte und sah Mortimer über die Schulter.
    Das Fenster – gerade breit genug, dass ein Mann sich hindurchzwängen konnte – bot einen Blick auf den vorgelagerten St. Thomas Tower. Wenn man sich ein wenig hinausbeugte, sah man den Graben und das gewaltige Gittertor, das halb aus dem grauen Wasser ragte.
    »Da durch?«, fragte Lucas. Sie flüsterten immer noch, aber seine Skepsis war dennoch unüberhörbar.
    »Unsinn. Schau nach links«, wies Julian seinen Ritter an. »Keine drei Yards vom Fenster entfernt liegt der Verbindungsgang vom Wakefield zum St. Thomas Tower. Wir klettern hinüber, laufen den Wehrgang entlang bis zur Vorderseite des St. Thomas Tower und seilen uns ab ins Wasser. Der Tower-Kai bildet die Trennung zwischen Burggraben und Fluss. Aber einTunnel unter dem Kai hindurch verbindet den Graben mit der Themse. Dieser Tunnel hat kein Tor, wir können einfach hindurchschwimmen. Bei Flut müssen wir tauchen, aber er ist ja nur so lang, wie der Kai breit ist.«
    »Trotzdem könnten wir ersaufen«, warf Lucas kritisch ein.
    Julian nickte. »Das Risiko besteht.«
    »Womit seilen wir uns ab?«
    »Bettlaken.«
    »Ich hab mal von einem walisischen Prinzen gelesen, der das versucht hat und zu Tode gestürzt ist«, berichtete Mortimer. Er schien beim Gedanken an eine Flucht plötzlich verzagt.
    »Gruffydd ap Llewelyn, ich weiß«, sagte Julian. »Edmund Tudor hat mir von ihm erzählt. Aber der arme Gruffydd konnte keine Seemannsknoten. Ich schon.«
    »Tatsächlich?«, fragte Lucas erstaunt. »Woher?«
    Julian hob kurz die Schultern. »Die Matrosen der Edmund haben sie mir beigebracht. Also, Männer. Machen wir uns an die Arbeit. Wir haben viel zu tun.«
    »Soll ich im Ernst glauben, dass nachts keine Wachen auf dem St. Thomas Tower stehen?«, erkundigte sich Lucas.
    Julian lächelte ihm zu. »Nur ein Narr wie du könnte so etwas glauben.«
     
    Das Gewitter brach los, sobald das letzte Abendlicht gewichen war, als habe es absichtlich so lange gewartet, um die Bewohner der großen Stadt mit seinen gleißenden Blitzen umso besser in Angst und Schrecken versetzen zu können. Julian war hochzufrieden. »Das Dröhnen des Donners wird jedes Geräusch übertönen, das wir verursachen, und der Regen macht uns so gut wie unsichtbar.«
    Lucas nickte. »Bis zum nächsten Blitz.«
    Julian stieß die Luft aus. »Willst du nun gehen oder bleiben, Sir Lucas Durham of Sevenelms?«, fragte er ungehalten.
    Sein Ritter musste nicht lange überlegen. »Gehen.«
    »Na, siehst du. Du machst den Anfang. Dann du, Mortimer. Ich komme zum Schluss.«
    Es war alles genauestens abgesprochen, und Julians Ritter und Knappe hatten mächtig gestaunt, als sie feststellten, wie akribisch Julian ihre Flucht geplant und vorbereitet hatte. Den Nachmittag hatten sie damit verbracht, die Bettlaken nach seinen Anweisungen in Streifen zu reißen, zu flechten und zu verknoten, während Julian die letzten seiner kleinen Schnitzereien fertigstellte. Genau wie einst in Warwick Castle stand ihm nur ein Speisemesser zur Verfügung, und er war nicht wirklich zufrieden mit seinen Werken, aber sie würden ihren Zweck erfüllen. Jedenfalls hoffte er das.
    Lucas stand am offenen Fenster und spähte angestrengt in das Wechselspiel aus Blitzen und Finsternis hinaus. Dann nickte er Julian zu. »Die Wachen sind verschwunden.«
    »Dann nichts wie los. Wir haben nicht viel Zeit.«
    Während zahlloser Nachtwachen am Fenster hatte Julian herausgefunden, dass zwei Posten auf den

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