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Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige

Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige

Titel: Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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unwirsch. »Du wirst sehen, ihm ist nichts passiert, und …«
    Er brach ab, als eine schwere Hand auf seine Schulter fiel. »Wo soll’s denn hingehen, Waringham, du lancastrianischer Hurensohn?«
    Julian verharrte einen Augenblick reglos, um sich zu sammeln, und drehte sich dann langsam um. Hagel klimperte auf den Helm des Wachsoldaten, Regen rann in Strömen über seine gefurchten Wangen, und er blinzelte emsig dagegen an. Julian sah das flackernde Licht eines Blitzes auf der gezückten Klinge und gestattete sich nicht zu zögern. Er hob die rechte Faust, in der er einen kleinen Gegenstand hielt, der sein Dasein einmal als hölzerner Suppenlöffel begonnen hatte und inzwischen aussah wie ein Spielzeugpfeil – harmlos, geradezu absurd. Doch der Schein trog. Julians Waffe war nur aus Holz,aber mörderisch spitz, und er rammte sie dem Wachsoldaten ins linke Auge.
    Der Mann ließ sein Schwert fallen, schlug die Hände vors Gesicht, stieß ein Jaulen aus und brach in die Knie. Ehe er nochmals schreien konnte, riss Mortimer ihm den Helm vom Kopf, und Julian trat ihm gegen die Schläfe. »Ich kann es wirklich nicht leiden, wenn jemand meine Mutter beleidigt«, erklärte er dem Bewusstlosen. »Du kannst froh sein, dass dich das nur ein Auge gekostet hat.« Dann nickte er seinem Knappen zu. »Nichts wie runter, Junge. Ehe die zweite Wache uns entdeckt und herüberkommt.«
    Mortimer nickte, schien noch etwas sagen zu wollen, überlegte es sich dann anders und schwang sich über die Mauer.
    Julian kauerte sich in den Schatten der Brüstung und wartete und betete. Er wagte nicht, Mortimer nachzuschauen, denn er wusste, dass auf dem gegenüberliegenden Eckturm die zweite Wache stand. Als er schätzte, dass sein Knappe angekommen sein musste, richtete er sich vorsichtig auf und spähte in die Tiefe. Er wartete einen Blitz ab, einen zweiten. Nichts zu sehen.
    Fluchend schwang er sich auf die Mauer, packte das tropfende Bettlaken mit beiden Händen und begann, langsam hinabzuklettern, die Füße gegen die nasse, schlüpfrige Mauer des St. Thomas Tower gestemmt. Seine Nackenhaare richteten sich auf, und er spürte einen leichten Schwindel, der nichts mit der Höhe zu tun hatte. Jeden Moment rechnete er damit, dass ihn ein Pfeil von oben traf. Aber er zwang sich, besonnen zu klettern, damit nicht auch er noch abstürzte.
    Er erreichte das Wasser unbeschadet. Es war unerwartet kalt, und es stank nach allem Unrat Londons. Julian hatte natürlich damit gerechnet, nur hatte er nicht geahnt, wie schlimm es werden würde. Er verzog angewidert das Gesicht, schwamm ein paar Züge auf den Kai zu – die Mauer eine tintenschwarze Wand in der Finsternis –, und plötzlich tauchte neben ihm ein Kopf auf, Arme planschten und ruderten panisch im Wasser.
    Julian packte einen davon und hörte ein ersticktes Husten. Im Licht des nächsten Blitzes erkannte er seinen Knappen. Mortimers Augen waren schreckgeweitet. »Mylord …«, keuchte er, ehe ihn erneut Husten schüttelte.
    Julian riss ihn herum, sodass der Junge ihm den Rücken zuwandte, griff unter seinen Achseln hindurch und nahm seinen Unterarm mit beiden Händen. »Warum zum Henker hast du mir nicht gesagt, dass du nicht schwimmen kannst, du Schwachkopf!«, schimpfte er, während er mit kräftigen Zügen auf die Kaimauer zuhielt.
    »Weil … weil Ihr dann niemals gegangen wärt«, kam die röchelnde Antwort.
    Julian sagte nichts. Er war sprachlos. Dieser Bengel hatte dem Tod ins Auge geblickt, um die Flucht seines Herrn nicht zu gefährden. Was für ein Heldenmut. Fassungslos, beinah ungeduldig schüttelte Julian den Kopf. Jetzt war wirklich nicht der geeignete Moment, um darüber nachzudenken. »Was hab ich verbrochen, dass ich mit Knappen geschlagen bin, die nicht schwimmen können?«, grollte er stattdessen.
    »Ich hoffe, Ihr könnt mir vergeben, Mylord.«
    »Das überleg ich mir noch. Jetzt halt still und mach dich steif, sonst ist es, als müsste ich einen Sack Steine mit mir ziehen. Und wo ist Durham?«
    »Hier, Mylord.« Lucas’ Stimme drang deutlich an sein Ohr, und sie hallte merkwürdig. Er musste die Öffnung des Tunnels gefunden haben.
    »Sag was, damit ich dich finde«, rief Julian. Es war fast unmöglich, sich über das Tosen des Unwetters hinweg verständlich zu machen, und die Wellen des widerwärtigen Wassers schwappten über ihn hinweg und schienen entschlossen, ihn zu ersäufen. Aber er war froh und dankbar für das Wetter. Niemand würde sie von oben sehen oder

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