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Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige

Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige

Titel: Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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Ecktürmen des St. Thomas Tower standen. Sie waren gewissenhaft und rührten sich nicht von der Stelle – bis auf ein paar Minuten etwa eine Stunde nach Einbruch der Dunkelheit. Dann kam ein Boot, jede Nacht. Sie verließen ihren Posten, um im Innern des Gebäudes die Winde zu betätigen, die das Fallgitter im Wasser öffnete, warteten, bis das Boot hindurch war, und ließen das Gitter wieder herunter. Julian wusste nicht, wer oder was an Bord dieses Bootes war, aber er erinnerte sich, dass Königin Marguerite ihm einmal erzählt hatte, der yorkistische Constable des Tower habe eine adlige Geliebte, die er nachts in die Festung schmuggelte. Offenbar war dies ausnahmsweise einmal ein wahres Gerücht.
    »Hier, Waringham«, sagte Lucas nervös. »Wirf du lieber.«
    Sie hatten das Ende des Seils an eine ausgebrannte Fackel geknotet. Julien lehnte sich damit aus dem kleinen Fenster, ließ das Seil einige Male hin und her schwingen, und dann warf er es zum Wehrgang hinüber. Beim ersten Versuch landete der Fackelstock auf der Mauerkrone und fiel wieder herunter. Julian schloss für einen Herzschlag die Augen, mahnte sich zur Ruhe und versuchte es noch einmal. Der provisorische Haken floggenau zwischen zwei der Zinnen über die Mauer, und als Julian am Seil zog, spürte er Widerstand. Er zog fester. Es hielt.
    Er reichte Lucas das Seil. »Gott beschütze dich.«
    »Uns alle«, antwortete Lucas, zwängte sich auf die Fensterbank, ließ einen Moment die Füße baumeln, packte das Seil fest mit beiden Händen und sprang. Im Licht des nächsten Blitzes sah Julian ihn hart gegen die Mauer prallen, aber dann kletterte Lucas geschickt zur Bekränzung hinauf und schwang sich auf den offenen Gang. Sofort warf er das Seil zurück, das Julian auffing.
    Auch Mortimer kam mühelos hinüber. Als das Seil zum zweiten Mal zurückkam, sah Julian sich noch einmal kurz in dem Gemach um, das sie beinah zwei Monate lang beherbergt hatte. Er würde ihm weiß Gott keine Träne nachweinen, aber ein so komfortables Bett, wusste er, würde er lange nicht wiedersehen. Mit einem letzten Blick vergewisserte er sich, dass der hölzerne Keil unter der Tür steckte, den er ebenfalls in den letzten Tagen gefertigt hatte und der verhindern sollte, dass Vater Ambrose oder sonst irgendwer unerwartet zurückkam und ihre Flucht bemerkte, ehe sie über alle Berge waren. Dann stieß er sich von der Fensterbank ab und folgte Lucas und Mortimer zum St. Thomas Tower hinüber. Als er sicher gelandet war, zogen sie ihr Kletterseil ein und liefen geduckt zum östlichen der beiden Ecktürme. Hagel vermischte sich mit dem prasselnden Regen, traf sie wie Nadelstiche auf Gesicht und Armen und kühlte die Luft auf einen Schlag ab. Donner grollte, und als Julian vom Turm auf das schäumende Wasser des Flusses jenseits des Tower-Kais blickte, fiel ihm die Nacht in Windsor ein, als Richard of York ihn um ein Haar von einem Turm wie diesem gestoßen hätte und der Mann, der jetzt König von England war, ihm das Leben gerettet hatte. Das erste von drei Malen. »Ich werde trotzdem nicht rasten, bis der Earl of Richmond dir deine erbeutete Krone entreißt, Edward of March«, murmelte er.
    Dann klemmte er den stabilen Fackelstock wieder zwischen zwei der Zinnen und ließ das geflochtene und gekonnt geknoteteBettlakenseil zum Wasser hin fallen. Er spähte über die Mauer und wartete den nächsten Blitz ab. »Es reicht nicht bis unten. Vier, fünf Yards müssen wir springen.«
    Auch Lucas und Mortimer blickten kurz nach unten. Das Seil tanzte in den Gewitterböen, und das Wasser gurgelte und zischte, pockennarbig von Regen und Hagel.
    »Es geht doch nichts über ein Bad in der Themse«, bemerkte Lucas grinsend, packte das Seil und kletterte über die Mauerkrone. Er hatte noch kein Drittel der Strecke hinter sich gebracht, als er plötzlich den Halt verlor und mit einem markerschütternden Schrei ins Wasser stürzte.
    »Oh, Jesus Christus, erbarme dich«, keuchte Julian. Seite an Seite mit seinem Knappen beugte er sich gefährlich weit über die Mauer und versuchte zu erkennen, ob unten ein Kopf auftauchte. Aber es war hoffnungslos. Die Blitze waren zu kurz, um die schäumende Wasseroberfläche abzusuchen.
    »Los, Mortimer, worauf wartest du«, drängte Julian und wischte sich den Regen aus den Augen. »Schnell. Und halt dich besser fest als Durham, dieser Ochse.«
    »Ja, Sir.« Es klang kleinlaut, und der Junge rührte sich nicht. Er hatte Angst.
    »Vorwärts«, befahl Julian

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