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Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige

Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige

Titel: Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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hören.
    » Die Novizin von Blois war ein geiles Luder, war mir immer gewogen, wie auch meinem Bruder. Nacht um Nacht haben wir sie geritten, hatte sie doch so prachtvolle …«
    Julian brach in hilfloses Gelächter aus, ebenso verursachtdurch Anspannung wie durch Heiterkeit darüber, dass sein Ritter sich ausgerechnet für eines der weniger frommen Soldatenlieder entschieden hatte, um ihm den Weg zu weisen. Lucas schmetterte die zotige Ballade mit mehr Stimmgewalt als Sangeskunst aus der Tunnelöffnung – laut genug, dass Julian zu fürchten begann, man könne ihn vielleicht doch bis oben auf den Mauern des Tower hören.
    »Hör auf, um Himmels willen«, schalt er, als er ihn endlich erreichte. Immer noch zuckte hilfloses Kichern in seinen Bauchmuskeln.
    Lucas verstummte folgsam, sagte dann aber: »Es hat noch ungefähr fünf weitere Strophen.«
    »Ein andermal vielleicht. Ich dachte, du wärst ertrunken.«
    »Das dachte ich auch.« Dann ruckte er den Daumen zu der schwarz gähnenden Tunnelöffnung. »Es ist Ebbe, Mylord. Wir müssen nicht tauchen.«
    »Gott sei gepriesen. Der Bengel hier kann nämlich nicht schwimmen.«
    »Allmächtiger. Und hat kein Sterbenswort gesagt. Du bist ein Mordskerl, Mortimer Welles.«
    »Danke, Sir Lucas.« Es klang nicht so, als fühle Mortimer sich im Augenblick wie ein Mordskerl, und der Verdacht bestätigte sich, als er sagte: »Ich werde Gott auf Knien danken, wenn ich wieder festen Boden unter den Füßen habe.«
    »Was machen wir jetzt, Julian?«, fragte Lucas. »Was immer wir tun, wir sollten weit weg von London sein, wenn die Sonne aufgeht.« Ein Blitz zeigte Julian, dass sein Freund sich mit sachten Ruderbewegungen mühelos über Wasser hielt.
    Julian hatte die Absicht gehabt, die Themse zu durchqueren und am Southwark-Ufer an Land zu gehen, um bei den Benediktinern in Bermondsey um ein Bett für den Rest der Nacht zu bitten. Aber mit einem Nichtschwimmer war das natürlich undenkbar.
    »Lass uns erst einmal durch diese Unterführung schwimmen. Ich bin das Gefühl satt, die Mauern des Tower im Rücken zu haben.«
    Lucas folgte ihm in den Tunnel, warnte aber: »Sobald wir auf den Fluss hinaus kommen, reißt die Strömung uns nach Osten.«
    Das ist gut, dachte Julian. Genau dort wollen wir hin. »Ich fürchte, es wird uns nichts anderes übrig bleiben, als ein Boot zu stehlen«, sagte er zögernd. Es war ein abscheulicher Gedanke, einem der kleinen Londoner Fischer oder Kaufleute etwas so Kostbares zu nehmen.
    Lucas kannte seinen Dienstherrn gut, darum sagte er beschwichtigend: »Mein Cousin kann herausfinden, wem es gehört, und den Schaden aus deinen Reichtümern ersetzen.«
    Julian nickte erleichtert. »Also dann.«
    Sie schwammen unter dem Tower-Kai hindurch, und als sie auf der anderen Seite auf den Fluss hinauskamen, hörte der Regen so plötzlich auf, als habe Gott einen Hahn zugedreht.

St. Thomas, Juli 1471
    In der folgenden
     Nacht kam Julian zu dem abgelegenen Benediktinerkloster, wo er seine Familie zu finden hoffte. Der Sternenhimmel wölbte sich wie ein schwarzblauer, juwelenbestickter Baldachin über Kent, und die Düfte der Wiesen, die das Kloster umgaben, waren herb und süß und vertraut. Julian sog sie tief ein und spürte, wie Zuversicht und Gottvertrauen in sein Herz zurückkehrten.
     
    Mit dem erbeuteten Boot waren sie stromabwärts bis Tickham gefahren, einem Hafen im Mündungsdreieck von Rhye und Themse, wo die reichen Durham große Lagerstätten unterhielten. Dort hatte Lucas ihm Obdach für den Rest der Nacht, ein dringend benötigtes Bad, saubere Kleider und ein Pferd besorgt, ehe er mit Mortimer weiter nach Sevenelms gerudert war, wo seine eigene Familie auf ihn wartete.
    Voller Ungeduld hatte Julian den Tag in einem Versteck zwischen Wollsäcken und Tuchballen verbracht und gewartet, dasses endlich wieder dunkel wurde. Er wusste, dass er sich daran würde gewöhnen müssen, ein Geschöpf der Nacht zu sein – wie ein Dieb oder ein Satansjünger. Die Yorkisten würden ihn jagen. Suchten vermutlich jetzt schon nach ihm. Und bevor er mit ihnen fertig war, würden sie ihn für vogelfrei erklären und einen Preis auf seinen Kopf aussetzen. Also musste er lernen, unsichtbar zu sein …
    Tatsächlich war er auf seinem schwarzen Pferd und in seinem dunklen Mantel nur ein Schatten in der Nacht. Er hielt am Fuß der Klostermauer, wo eine Weide stand, band den etwas behäbigen, aber ausdauernden Gaul an einen der Äste und kletterte behände in den alten Baum.

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