Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
ihn mühelos auffing und seine eigene Kette löste. Inzwischen war auch Rhys auf die Füße gekommen und traktierte Andrew mit argwöhnischen Blicken.
»Zwei Wachen am Tor«, berichtete Blanche Jasper mit gedämpfter Stimme. »Allen anderen habe ich zu einem tiefen Nachtschlaf verholfen. Ich habe Waffen und Pferde im Hof versteckt. Und die Besatzung hat die Rose klargemacht und erwartet uns.«
Jasper schloss sie ungewöhnlich stürmisch in die Arme.»Gott segne dich, Blanche of Waringham. Das Haus Tudor wird auf immer in deiner Schuld stehen.«
Sie lächelte zufrieden. »Ich werde dich bei Gelegenheit daran erinnern.«
»Ja, darauf wette ich«, murmelte er, wandte sich an Andrew und reichte ihm die Hand. »Jasper Tudor. Habt Dank, Devereux. Auch Euch sind wir etwas schuldig.«
Sprachlos vor Ehrfurcht schlug Andrew ein. Es geschah schließlich nicht jeden Tag, dass man einer Legende begegnete. Sein Vater hatte Jasper Tudor verteufelt, hatte ihn als Verräter und Strauchdieb bezeichnet und ihn ehrlos und verschlagen genannt. Aber Andrew hatte insgeheim immer Bewunderung für den Mann empfunden, den die Umstände gezwungen hatten, die Rolle als mächtiger Lord abzulegen und stattdessen in die des Rebellen zu schlüpfen. Und als er ihm jetzt in die schwarzen Augen sah, ahnte er, dass er endlich, endlich jemanden gefunden hatte, dem er dienen und nacheifern konnte, ohne dabei seine Seele zu verkaufen; das Vorbild, das sein Vater und seine bisherigen Dienstherrn – Black Will Herbert und sein eigener großer Bruder – nie hatten sein können.
»Wenn Ihr wirklich bereit wäret, mir trotz meines Namens eine Chance zu geben und mich mitzunehmen, wäre das mehr als reichlicher Lohn, Mylord.«
Seine Schüchternheit verlieh der floskelhaften Antwort Glaubwürdigkeit, und Jasper zeigte sein seltenes Lächeln. »Dann lasst uns nur hoffen, dass am Ende unserer Reise nicht ein feuchtes Grab auf uns alle wartet.«
Blanche seufzte vernehmlich. »Deine unerschütterliche Zuversicht gehört wirklich zu deinen bestechendsten Eigenschaften. Wie wär’s, wenn wir uns erst einmal um die Torwachen kümmern?«
Jasper nickte knapp. »Geh’n wir. Und gebe Gott, dass wir Wales noch einmal wiedersehen.«
London, Juli 1471
»Weiter, Mortimer«, sagte Julian mit einer aufmunternden Handbewegung. »Zeig mir noch ein, zwei Dutzend.«
»Aber Mylord«, protestierte der Knappe keuchend. »Das waren jetzt schon zehn Dutzend. Einhundertundzwanzig Liegestütze!«
Julian nickte ungerührt. »Ich beglückwünsche dich zu deinen Rechenkünsten, aber die Kraft deiner Arme und Schultern hat in all den Wochen des Müßiggangs ein wenig nachgelassen, fürchte ich.«
»Man merkt, dass er allmählich wieder der Alte ist, was, Mortimer?«, warf Lucas ein. Er lag auf seinem Bett, die Knöchel gekreuzt und balancierte einen Becher auf der Brust. »Er lässt einem keine ruhige Minute.« Es klang schläfrig. Die Luft in ihrem geräumigen Quartier war schwül und reglos. Ein Gewitter lag in der Luft, und Lucas hatte der drückenden Hitze mit ein wenig zu viel Bier getrotzt.
»Wie wär’s, wenn du ihm Gesellschaft leistest?«, schlug Julian vor.
»So weit kommt’s noch«, brummte der Ritter.
Mortimer legte sich auf den Bauch, ergab sich einen Moment der wunderbaren Kühle, die aus den Steinfliesen unter den Binsen strömte, winkelte die Arme an und stemmte sich in die Höhe.
Julian ließ sein Schnitzwerk in den Schoß sinken und sah dem Knappen einen Moment kritisch zu. »Weiter runter, du Faulpelz«, schalt er.
Mortimer biss sichtlich die Zähne zusammen und gab sich mehr Mühe.
Julian nahm sein Holzstück wieder auf. »Zähle laut, sei so gut.«
»Sieben … acht … neun«, keuchte der bedauernswerte Knappe. »Elf … zwölf …«
»He, he«, protestierte Lucas lachend. »Du kleiner Gauner hast einen unterschlagen.«
»Ich schlage vor, du fängst noch einmal von vorn an, Mortimer«, sagte Julian liebenswürdig.
Mortimer blinzelte den Schweiß aus den Augen, mobilisierte seine nicht unbeträchtlichen Reserven und absolvierte zwei Dutzend perfekter Liegestütze.
Julian nickte zufrieden. »Steh auf. Mach eine Pause und trink einen Schluck von Lucas’ Bier.«
Mortimer kam der Aufforderung dankbar nach, trat an den Tisch und ergriff den Krug mit beiden Händen.
»Sauf mir ja nicht alles weg, Bübchen«, warnte Lucas. Es klang nicht so gut gelaunt, wie er es noch vor einer Woche gesagt hätte.
Julian betrachtete seinen Ritter aus dem
Weitere Kostenlose Bücher