Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
seiner Schlafstatt. »Verrat mir den Grund, Janet.«
Sie folgte seinem Beispiel, setzte sich neben ihn und nahm seine Hand. »Es ist wegen Richmond«, gestand sie bekümmert.
Er lächelte ein bisschen wehmütig. »Es ist nun wirklich nichts Neues, dass sie in ihn verliebt ist. Das vergeht.«
»Ja, das sagst du seit drei Jahren. Aber es vergeht nicht . Es wird immer nur schlimmer. Sie verzehrt sich nach ihm, und er sieht sie nicht einmal.«
»Das glaub nur nicht. Ich wette, Richmond weiß ganz genau, wie es um sie steht. Er ist lediglich diskret. Und rücksichtsvoll.«
»Du nennst es rücksichtsvoll, dass er sie wie ein Möbelstück behandelt?«
Julian runzelte ärgerlich die Stirn. »Was soll er deiner Ansicht nach tun? Ihr einen Bastard schenken wie seiner kleinen Bretonin? Sei lieber froh, dass er auf Distanz geht. Nicht jeder junge Kerl brächte das bei einem so schönen Mädchen fertig.«
»Er könnte sie heiraten«, gab Janet ungehalten zurück.
»Er will Elizabeth of York heiraten, und das weißt du ganz genau.«
Janet schnaubte unfein. »Die kann er nur leider nicht haben.«
»Das werden wir ja sehen.«
Sie schwiegen einen Moment, wie sie es oft taten, wenn sie Gefahr liefen, sich wegen ihrer unterschiedlichen politischen Ansichten zu streiten.
Schließlich bat Janet: »Nimm sie mit und bring sie irgendwohin, wo sie sicher ist und ihn vergessen kann. Sie ist so unglücklich, Julian. Ich kann das nicht mehr länger mitansehen.«
»Herrgott noch mal, das hat mir so gerade noch gefehlt …«, grollte er.
»Ich bedaure, wenn der Kummer deiner Tochter dir ungelegen kommt«, gab sie bissig zurück.
Julian hatte eine scharfe Erwiderung auf der Zunge, aber er schluckte sie hinunter. Janet hatte ja Recht. Und auch wenn er der Auffassung war, dass die romantische Schwärmerei einer Achtzehnjährigen gemessen an all ihren derzeitigen Problemen nicht von so großer Bedeutung war, fand er den Gedanken doch schmerzlich, dass seine Tochter litt. »Also schön, meinetwegen«, räumte er unwillig ein. »Ich nehm sie mit.«
Erleichtert küsste Janet ihn auf den Mundwinkel. »Danke. Wo bringst du sie hin?«
»Das überleg ich mir noch«, antwortete er ausweichend. Aber in Wahrheit gab es nur einen Ort in England, wo er seine Tochter in Sicherheit wusste.
Waringham, April 1483
Bei Hagel, Blitz und
Donner und mitten in der Nacht kamen sie an.
Trotz des schauderhaften Wetters brachten sie die Pferde in den Stall der Zweijährigen, wo immer ein paar Boxen freigehalten wurden, denn niemand sollte die fremden Tiere vor dem Haus des Stallmeisters stehen sehen. Wann immer Julian und die Seinen herkamen, achteten sie darauf, für unfreundliche Augen so unsichtbar wie Geister zu sein.
Nachdem sie die Pferde abgesattelt und versorgt hatten, führte Julian seinen Sohn und seine Tochter zum Stallmeisterhaus. Er wartete das Donnergrollen ab, dann klopfte er vernehmlich an die schwere Eichentür.
»Aber Vater, hier schläft doch sicher längst alles«, wandte Edmund ein und wischte sich die tropfnassen Haare aus dem Gesicht.
»Bei dem Getöse gewiss nicht«, widersprach Julian.
Tatsächlich brauchten sie nicht lange zu warten. Mit einem Licht in der Hand öffnete Roland ihnen, trat wortlos beiseite und warf mit verengten Augen einen kurzen Blick in die unwirtliche Gewitternacht hinaus. Dann schloss er die Tür und schob den Riegel vor.
Erst danach wandte er sich seinen Besuchern zu, verneigte sich höflich vor Julian und sagte: »Willkommen zu Hause, Mylord.«
Julian legte ihm zum Gruß die Hand auf den Arm. »Danke. Ich war selten so froh, hier anzukommen wie heute«, fügte er mit einem Grinsen hinzu. Er bemühte sich immer, sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr es ihn aufwühlte, nach Waringham zu kommen.
Roland begrüßte auch seine anderen Gäste. »Edmund. Und du musst … Alice sein«, tippte er.
Sie streifte ihn nur mit einem kurzen Blick, dann senkte sie den Kopf wieder. Alice war sehr blass, ihre Augen rot verweint. Sie hatte ihren Vater angefleht, sie nicht von ihrerMutter, ihren Geschwistern und allen anderen fortzureißen und aus der Bretagne zu verschleppen. Als er gesehen hatte, wie groß ihre Verzweiflung war, hatte er erkannt, dass Janet Recht hatte: Das Mädchen musste unbedingt von dort weg. Also hatte er ihr schließlich befohlen, ihre Tränen zu trocknen und sich reisefertig zu machen – schroffer, als sonst seine Gewohnheit war –, und seither hatte Alice kein Wort mehr mit ihm
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