Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
unzureichenden Kamin in der Giebelwand, zwei Fenster nach Osten und einen langen Tisch mit Bänken, auf welchen der große Haushalt vollzählig Platz fand, wenn alle zusammenrückten. Die klobigen Deckenbalken waren unverziert, der offene Dachstuhl solide gezimmert, aber mit zu altem Stroh gedeckt. Hier legten seine und Blanches Söhne und die Ritter des Haushalts sich nachts schlafen. Die Mädchen − Angharad, Alice und Juliana − schliefen unten in der wärmeren Küche. Nur zwei kleine Schlafkammern lagen neben der Halle, von denen eine Richmond, die andere Jasper und Blanche bewohnten. War Julian hier, nahm erseine Gemahlin nachts mit an Bord seines Schiffes, war er fort, kampierte sie mit den Mädchen in der Küche. Es waren erbärmliche Verhältnisse, wusste Julian. Beschämend und erniedrigend. Nur seltsamerweise schämte er sich nicht und fühlte sich auch nicht sonderlich gedemütigt, wenn er sich hier umschaute. Vielleicht hatte er sich einfach daran gewöhnt. Es war schlicht, aber es war bewohnbar. Ein Dach über den Köpfen all seiner Lieben. Es hätte ja so viel schlimmer kommen können …
Der Klang von Hufschlag riss ihn aus seinen Gedanken. Er trat ans Fenster und sah Richmond – wie stets in Robins, Owens und Mortimers Begleitung − von der staubigen Dorfstraße in den kleinen Hof vor dem Haus einbiegen. Goronwy und John kamen aus dem rückwärtigen Garten herbeigelaufen – jeder wollte der Erste sein, um Richmond den Steigbügel zu halten. John machte das Rennen, beobachtete Julian lächelnd. Die jungen Männer saßen ab, blieben einen Moment mit den Knaben zusammen im schlammigen Hof stehen und flachsten herum, während zwei bretonische Soldaten in der Livree des Herzogs und bis an die Zähne bewaffnet vor der Gartenpforte aufzogen und sich links und rechts davon postierten.
Richmond und die übrigen jungen Männer im Hof gaben vor, sie gar nicht zu bemerken. Julian hingegen schaute stirnrunzelnd hinab. Die Bretonen sahen aus wie eine Ehrenwache, aber irgendwie hatte er Zweifel, dass sie das waren.
»Er hat ihn wieder unter Hausarrest gestellt«, hörte Julian Jaspers Stimme in seinem Rücken sagen.
Er wandte sich um. »Warum?«
Jasper trat näher, und sie begrüßten einander mit der unter Rittern üblichen Umarmung, die ebenso brüsk ausfiel wie früher, aber weniger kühl. Irgendwann hatten Jasper und Julian einfach aufgehört, sich gegenseitig zu misstrauen. Keine Aussprache war dem vorausgegangen, es war einfach passiert. Vielleicht, weil das Schicksal ihre Familien zu einer hatte zusammenwachsen lassen.
»Der bedauernswerte Herzog François ist ausgesprochennervös«, berichtete Jasper und hob leicht die Schultern. »Er hat mir anvertraut, dass Louis wieder einmal Richmonds Auslieferung verlangt und andernfalls damit droht, in die Bretagne einzumarschieren. Jetzt, da König Louis Burgund praktisch seinem Reich einverleibt hat, richtet er seinen begehrlichen Blick nach Westen. Dieses Mal könnte es eng für uns werden, Julian.«
Der winkte ab. »Vielleicht müssen wir uns gar nicht mehr lange mit den verdammten Bretonen und Franzosen herumplagen. Der yorkistische Thronräuber hat das Zeitliche gesegnet, Jasper. Edward of March ist tot.«
Es gab nicht viele Dinge, die Jasper Tudor aus der Ruhe bringen konnten, aber nun weiteten sich seine Augen, und er packte Julian beim Arm. »Was?«
»Möchtest du’s noch mal hören?«, erkundigte sich Julian mit einem etwas matten Grinsen. Es war und blieb abscheulich, über den Tod eines Mannes zu frohlocken.
»Ist das sicher?«, fragte Jasper.
Julian nickte. »Ralph Hastings hat es mir gesagt.«
Jasper ließ die Hand sinken und starrte einen Moment blicklos aus dem Fenster.
Julian ließ ihn zufrieden. Er wusste, Jasper hatte im Gegensatz zu ihm selbst nie etwas anderes als bitteren Hass für Edward empfunden, der ihn bei Mortimer’s Cross so vernichtend geschlagen hatte. Er machte ihn für die ungesetzliche Hinrichtung seines Vaters ebenso verantwortlich wie für Richmonds jahrelange Geiselhaft. Vermutlich war es ein Reigen schauderhafter Erinnerungen, den er gerade vor seinem geistigen Auge vorbeiziehen sah.
Doch es dauerte nicht lange, bis Jasper sich fasste. »Ich habe Dutzende Fragen, aber vermutlich ist es besser, ich hole die anderen, nicht wahr? Damit du nicht alles dreimal erzählen musst.«
Julian nickte. »Aber nicht die ganze Bande. Und bring etwas zu essen mit.«
»Abgemacht.«
Jasper wandte sich zur Stiege und ging in
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