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Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige

Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige

Titel: Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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der offenbar vom Abendessen übrig geblieben war, reichte sie ihm mit einem Löffel und einem großzügigen Stück Brot und sagte unvermittelt: »Der Schmied sagt, unser Micky hätt ihm ein Ferkel gestohlen, Mylord, und …«
    Roland seufzte unüberhörbar. »Mary, nicht heute Abend.«
    Aber Julian hob die Hand. »Nein, ist schon gut, Roland.« Er bekreuzigte sich eilig, murmelte ein sehr kurzes Dankgebet und begann zu löffeln, denn er war ausgehungert. Gleichzeitig forderte er die Köchin aber auf: »Weiter.«
    Sie fasste Mut, trat einen Schritt näher auf ihn zu und knetete ihren Rock. »Er hat’s auch genommen, aber es war nur ein Streich, versteht Ihr. Er und seine Freunde haben dem Ferkel ein Wämschen aus Schilf angezogen und ein Strohhütchen aufgesetzt und es durchs Fenster in die Schmiede gesetzt. Was junge Burschen eben so anstellen.«
    »Aber?«, hakte er nach, während die Köchin auch Edmund und Alice eine volle Schale reichte.
    Sie senkte den Blick. »Das arme Ferkelchen ist in Panik geraten und wie besessen in der Schmiede umhergerannt.«
    »Genau wie sie’s wollten, nehme ich an«, warf Julian trocken ein.
    Das bestritt die Köchin nicht. »Es hat alles Mögliche umgestoßen und schließlich auch Matt Carpenters neue Pflugschar, und die hat das Ferkel erschlagen, Mylord. Egbert, mein Mann, hat dem Jungen das Fell versohlt und dem Schmied angeboten, das Ferkel zu bezahlen. Aber der Schmied besteht drauf, unseren Micky vor dem Gerichtstag übermorgen anzuklagen. Wegen Diebstahls. Und ich weiß nicht … was dann passiert.« Tränen rannen ihr über die Wangen. »Er wird irgendwas Furchtbares mit meinem Jungen tun, Mylord. Er wird ihn als Dieb dem Sheriff übergeben oder Gott weiß was sonst. Er versteht überhaupt keinen Spaß, und er kennt kein Erbarmen.«
    Er , wusste Julian, war natürlich Blanches Gemahl Thomas Devereux, den der Duke of Gloucester zum Steward von Waringham ernannt hatte und der hier seit zwölf Jahren unangefochten herrschte. Nicht nur wegen seiner Stahlklaue, sondern auch wegen seiner Unnachgiebigkeit und Strenge nannten die Menschen von Waringham ihn »Tom Eisenfaust«.
    Während die Köchin sich ohne großen Erfolg bemühte, ihr Schluchzen zu unterdrücken, ließ Julian sich diese unglückselige Geschichte durch den Kopf gehen. Schließlich fragte er: »Was um Himmels willen ist in den Schmied gefahren?«
    Es war Roland, der antwortete: »Er und mein Vormann streiten seit mehr als einem Jahr über eine gebrochene Trense.« Es klang resigniert. »Es ist eine bittere Fehde. Der Schmied will Egbert mit dieser Anklage eins auswischen.«
    Julian schüttelte langsam den Kopf. »Trotzdem. Es sieht Matthew nicht ähnlich, eine Fehde auf dem Rücken eines Knaben auszutragen.«
    Niemand antwortete ihm. Erst später, als sie allein waren, erklärte ihm Roland, dass es mittlerweile mehrere solcherFehden im Dorf gebe. Die Leute lebten in Angst vor Thomas Devereux. Und Angst machte Menschen in aller Regel nicht umgänglicher …
    Julian ahnte dies, ohne dass irgendwer es ihm erklären musste, und natürlich fühlte er sich verantwortlich dafür und hatte ein schlechtes Gewissen. Weil er versäumt hatte, zu verhindern, dass Waringham Devereux anheimfiel.
    »Ich werd sehen, was sich machen lässt, Mary«, versprach er. »Ich rede mit dem Schmied. Und sag deinem Egbert, dass ich ihn morgen Abend nach Sonnenuntergang hier erwarte. Ich will wissen, was es mit der gebrochenen Trense auf sich hat. Vielleicht können wir die Geschichte beilegen.«
     
    Und so wurde in der nächsten und den darauffolgenden Nächten in Waringham ein Gericht abgehalten, von dessen Existenz der Steward oben auf der Burg nichts ahnte. Wann immer Julian für ein paar Tage kam und sich auf dem Gestüt verbarg, sprach sich das mit der Geschwindigkeit eines Bogenschusses in Waringham herum, und sobald es dunkel war, stellten die Leute sich ein, um Julian ihre Streitigkeiten vorzutragen, von ihren Sorgen zu berichten, ein Fässchen selbstgebrautes Bier zu bringen oder stolz ihren jüngsten Nachwuchs zu zeigen.
    Julian hatte heute ein offeneres Ohr für ihre Nöte als früher. Auch ihre Ergebenheit und ihr Vertrauen schätzte er heute viel höher. Früher waren diese Menschen ihm oft derb, ihre Belange im Vergleich zu dem furchtbaren Krieg im Land unbedeutend erschienen. Heute hatte er Verständnis dafür, dass ein Nachbarschaftsstreit um den Besitz eines Apfelbaums sie mehr bewegte als dieser Krieg, denn für die kleinen

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