Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
gesprochen.
»So ist es«, bestätigte Julian seinem Neffen nun. »Alice, dies ist dein Cousin Roland Neville, der Eigentümer und Stallmeister des Gestüts.«
Sie knickste höflich und sagte nichts.
Roland sah mit erhobenen Brauen zu Julian, der die Augen verdrehte und ratlos mit den Schultern zuckte.
»Kommt in die Halle«, lud der jüngere Mann sie mit einer Geste ein. »Wo ist Lucas?«
»Sevenelms«, antwortete Julian knapp.
Wann immer sie in England waren, ritt Lucas Durham nach Hause, denn auch er hatte viel zu selten Gelegenheit, seine Frau und Kinder zu sehen.
»Beschwerliche Reise gehabt?«, erkundigte sich Roland, während er sie die Treppe hinauf in seine vornehme Halle brachte.
»Bis zur Themsemündung ging’s«, berichtete Edmund. »Wir hatten ein wunderbares, frisches Windchen auf dem Kanal, aber gutes Wetter. Nur sobald wir die englische Küste erreichten …« Er winkte ab.
Sie waren wie so oft in der Vergangenheit die Themse bis nach Tickham hinaufgesegelt, wo Julian mit der Duldung der Durham ein paar Pferde stehen hatte. Dort hatten sie auf den Anbruch der Nacht gewartet, ehe sie sich auf den kurzen Weg nach Waringham gemacht hatten. Und die ganze Zeit hatte es unablässig geregnet. Sie waren bis auf die Haut durchweicht.
Roland betrachtete sie im hellen Kerzenschein in der Halle eingehend. »Ich glaube, ich hole die Köchin und eine Magd«, entschied er dann.
Aber Julian hielt ihn mit einer Geste zurück. »Ein paar Handtücherund ein Becher Ale reichen völlig. Es ist nicht nötig, das ganze Haus zu wecken.«
Sein Neffe hörte nicht auf ihn – genau wie der rebellische Knappe von einst. »Hier sind alle an unterbrochenen Nachtschlaf gewöhnt«, entgegnete er. »Vor allem jetzt, da die Fohlzeit begonnen hat. Edmund, vielleicht könntest du das Feuer aufschüren? Bin gleich wieder da.« Mit diesen Worten verließ er die Halle, und sie hörten seine Schritte auf der Treppe zum Obergeschoss.
Edmund ging zum Kamin und griff nach dem Schürhaken. Julian nahm Alice den tropfnassen Mantel ab und zeigte auf die Bank am Tisch. »Setz dich, du musst völlig erledigt sein. Gleich kriegen wir etwas Heißes.«
Alice sank müde auf die Bank nieder.
Julian trat an das wiedererwachende Feuer und wärmte sich dankbar die Hände.
Es dauerte tatsächlich nicht lange, bis Roland zurückkehrte und Handtücher verteilte, eine verschlafene, aber freundliche junge Magd ihnen einen großen Krug Bier brachte und in Aussicht stellte, dass die Köchin sich sofort an die Arbeit machen werde. Wen Roland indessen nicht geweckt hatte, war seine Frau. Merle fürchtete sich immer noch vor Julian, und der Stallmeister war der Ansicht, es reichte, wenn sie am nächsten Morgen von dessen Ankunft erfuhr.
Sie setzten sich an den Tisch und redeten über das Thema, welches derzeit ganz England bewegte: den Tod des yorkistischen Königs.
»Earl Rivers, der Bruder der Königin, ist mit dem Prince of Wales unterwegs nach London, hört man«, wusste Roland zu berichten. »Königin Elizabeth und ihre Fraktion drängen darauf, den Jungen so schnell wie möglich zu krönen. Die Rede war vom vierten Mai.«
Julian zog eine Braue in die Höhe. »Welch unwürdige Hast. Ich hoffe, sie nehmen sich die Zeit, Edward of March anständig unter die Erde zu bringen, ehe sie seinem Söhnchen die Krone aufs Haupt setzen.«
Roland verzog spöttisch den Mund. »Ich nehme an, dafür wird Lord Hastings sorgen. Es heißt, er sei untröstlich über den Verlust seines Königs.«
»An dessen vorzeitigem Hinscheiden er aber nicht ganz schuldlos ist, wie mir sein Bruder Ralph anvertraute. Doch wie dem auch sei, ich bin überzeugt, Lord Hastings wird Trost finden, sobald er sicher sein kann, dass er auch am Hof des neuen Königs sein Amt als Lord Chamberlain behält.«
»Das wird wohl davon abhängen, ob er sich beim Machtkampf im Kronrat auf die richtige Seite schlägt«, meinte Edmund.
Julian hob sein Bier. »Aber welche mag das sein? Mögest du bei der Wahl deines Wahrsagers eine glückliche Hand haben, Schwager Hastings.« Er nahm einen tiefen Zug.
Die Köchin kam mit einem Stapel Schalen unter dem Arm und einer großen Schüssel in der anderen Hand in die Halle, stellte ihre Last auf dem Tisch ab und knickste vor Julian. »Willkommen, Mylord.«
»Danke, Mary.«
Sie war die Tochter seiner Amme, erinnerte sich Julian, und genau wie einst ihre Mutter hatte Mary einen Vormann des Gestüts geheiratet. Sie füllte eine Schale mit dem Eintopf,
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