Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
die Küche hinunter. Julian trat an den Schrank zwischen den Fenstern und holte optimistisch ein paar Tonbecher heraus. Und tatsächlich brachte Blanche, die als Erste die Treppe heraufkam, einen Krug Wein mit. »Sieh dich vor«, warnte sie. »So etwas Saures hast du vermutlich noch nie getrunken. François meint offenbar, weil wir Engländer sind, könne man uns alles vorsetzen.«
»Nicht weil wir Engländer, sondern weil wir Bettler sind«, mutmaßte Janet seufzend, stellte einen Schmalztopf und ein Holzbrett mit dicken Brotscheiben auf den Tisch und setzte sich auf die Bank.
Jasper, Richmond und Mortimer folgten, und Letzterer schloss hinter sich die Tür.
Richmond begrüßte Julian mit großer Wärme. »Gott sei gepriesen, dass er dich wieder einmal sicher hierhergeleitet hat. Willkommen in Vannes.«
»Danke, Richmond.« Julian legte ihm lächelnd die Hand auf den Arm, ließ es sich aber nicht nehmen, dabei eine Verbeugung anzudeuten, obwohl er wusste, dass Richmond das peinlich war.
Julian begrüßte auch seinen einstigen Knappen Mortimer, der beinah so seeuntauglich war wie die meisten seiner Söhne und den er daher schweren Herzens an Richmond abgetreten hatte, und schließlich saßen sie alle am Kaminende der Tafel und schauten Julian erwartungsvoll an.
Verstohlen ergriff er unter dem Tisch die Hand seiner Frau. Er wusste, die Nachricht würde ein Schock für sie sein.
»Edward of March ist vor zwei Tagen gestorben«, sagte Julian beinah mit so etwas wie Förmlichkeit.
Janets Hand in seiner zuckte fast unmerklich, und er drückte sie ein wenig fester. Ganz gleich, was Edward Janet angetan hatte, sie hatte nie ganz aufhören können zu glauben, dass die Krone ihm zustand, und sie hatte ihm ein Kind geboren.
Er sah ihr in die Augen, als er fortfuhr: »Gestern früh haben wir eine englische Karacke aufgebracht, und wie sich herausstellte, stand sie unter dem Befehl deines Bruders Ralph.Er hat es mir erzählt.« Er berichtete ihnen alles, was er von Ralph Hastings erfahren hatte, hielt sich mit Schlussfolgerungen jedoch zurück.
Nachdem er geendet hatte, herrschte ein längeres Schweigen. Richmond hatte den Rücken an die Wand gelehnt, die Beine unter dem Tisch ausgestreckt und trank versonnen einen Schluck Wein. Abwesend verzog er das Gesicht ob dessen Säure, verlor aber anscheinend nicht den Faden seiner Gedanken.
Auch Jasper schwieg und überließ es seinem Neffen, all die Fragen auszusprechen, die ihm selbst durch den Kopf gingen.
Schließlich stellte der junge Mann den Becher ab und sah Julian an. »Das heißt also, es wird einen Machtkampf zwischen der Sippschaft der Königin und Richard of Gloucester geben?«
»Das halte ich für wahrscheinlich«, bestätigte Julian. »Laut Testament soll Gloucester Lord Protector werden. De facto aber hat Earl Rivers das Vertrauen des kleinen Thronfolgers und eines Gutteils des Kronrates.«
»Wie die Geschichte sich wiederholt«, bemerkte Richmond. »Als mein Onkel Henry mit neun Monaten die Krone erbte, hat auch ein Duke of Gloucester mit dem Kronrat um die Macht gerungen.«
Julian tauschte einen ebenso verstohlenen wie anerkennenden Blick mit Jasper. Es schien kein Detail der englischen Geschichte mehr zu geben, das Richmond nicht kannte, sich nicht in mühevollen Studien zu eigen gemacht hatte. Es war ein Segen, dass der junge Mann beinah so süchtig nach Büchern war wie seine Mutter.
»Und genau wie damals wird sich vermutlich alles an der Frage entscheiden, wie viel Machtbefugnis dem Lord Protector zugestanden wird. Ob er im Zweifel auch gegen den Kronrat regieren kann«, fügte Jasper hinzu.
»Was wohl entscheidend von der Zusammensetzung dieses Kronrates abhängen wird«, warf Blanche ein.
»Nun, eins ist jedenfalls sicher«, sagte Julian. »Richard of Gloucester wird sich von den Brüdern der Königin und den übrigen Woodvilles nicht so ohne weiteres verdrängen lassen.Er hat viel Rückhalt im Norden. Notfalls könnte er eine Armee nach Westminster führen.«
»Und wird er das?«, fragte Richmond, mit einem Mal angespannt.
»Das weiß Gott allein«, musste Julian gestehen.
»Doch wenn Gloucester es täte, gäbe es einen Krieg unter den Yorkisten, richtig?«
»Irgendwie ein reizvoller Gedanke«, pflichtete Mortimer ihm bei. »Vor allem, wenn man noch einen Schritt weiter denkt und zu dem Schluss kommt, dass Lancaster der lachende Dritte sein könnte, wenn zwei yorkistische Parteien sich streiten.«
Richmond nickte langsam und strich mit
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