Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
hat ihn mehr gesehen, seit sie ihn hergebracht haben.«
»Und wo ist Devereux?«
Pete wies mit dem Kinn zur Ostseite der Burg. »Im neuen Haus.«
»Und seine Söhne?«
»Gibt nur noch Malachy, Mylord«, erklärte der Wächter. »Sir Richard ist bei Tewkesbury gefallen, und der Jüngste ist bei Euch, richtig?«
Julian nickte.
»Keine Ahnung, wo Malachy sich rumtreibt, aber weit ist er nicht«, sagte Pete.
»Also schön. Gehen wir«, wies Julian Lucas und Edmund an. »Ihr nehmt das Haus. Ich den Bergfried.«
»Aber, Julian«, begann Lucas. »Wär’s nicht besser …«
»Halt den Mund und tu, was ich sage«, knurrte Julian, trat bis an den Rand des Schattens, den das Torhaus in den Burghof warf, und nahm sich einen Moment Zeit, sich gründlich umzusehen. Dann glitt er dicht an der Mauer zum Pferdestall hinüber.
Lucas und Edmund blickten ihm nach, ehe sie sich in entgegengesetzter Richtung auf den Weg machten.
Alice hatte mit allerhand gerechnet, nachdem sie als Gefangene auf die Burg ihrer Vorfahren gekommen war, aber niemals damit, dass ausgerechnet der griesgrämige, allseits gefürchtete Thomas Devereux mit der Eisenklaue sich als ihr Retter erweisen würde. In gewisser Weise jedenfalls.
Er hatte aus seiner Genugtuung und seiner Häme keinen Hehl gemacht, als Malachy ihm berichtete, dass sein Vater Earl of Waringham werden und er selbst auf Wunsch des neuen Königs die kleine Waringham hier heiraten solle, doch als Malachy sie mit unschwer durchschaubaren Absichten zu seiner Kammer zerren wollte, war der alte Devereux eingeschritten.
»Nichts da.«
»Aber Sir, Gloucester hat gesagt …«
Ein Blick seines Vaters hatte ihn zum Schweigen gebracht.»Wir sind gottesfürchtige Gentlemen, und so werden wir uns auch benehmen. Darum wirst du sie nicht anrühren, ehe Gott euren Bund gesegnet hat. Bis es so weit ist, sperr sie irgendwo drüben im Bergfried ein, aber in einem bewohnbaren Gemach, hast du verstanden? Such ihr eine Magd, die sich ihrer annimmt und den Anstand wahrt, und stell eine Wache vor die Tür.«
Und wie immer war genau das geschehen, was er befahl. So fristete Alice ihre Tage und Nächte also in dem hellen Raum mit der wunderbaren Aussicht, den sie nur verlassen durfte, um einmal täglich zur Messe zu gehen. Die kleine Magd, die Malachy ihr aussuchte, war ein lebenslustiges, aber ewig plapperndes Geschöpf, und sie ging ihr auf die Nerven. Aber wann immer Alice darum bat, kam einer der Mönche oder Priester, die Devereux auf der Burg versammelt hatte, um mit ihr zu beten, ihr die Beichte abzunehmen oder auch schon mal ein wenig zu plaudern.
Alice war einsam, und sie fürchtete sich, aber es war längst nicht so schlimm, wie es hätte sein können. Bis Malachy Devereux aus London zurückkehrte.
Ohne besonderen Schwung, eher zaudernd öffnete er die Tür und trat über die Schwelle. Sein schulterlanges blondes Haar war zerzaust, die braunen Augen blutunterlaufen, seine Stiefel staubig. Er schaute sich neugierig um, als sähe er diesen Raum zum ersten Mal. Sein Blick verharrte beim Fenster und glitt dann weiter zu dem komfortablen Bett mit den rosenbestickten Vorhängen, das man eigens für Alice’ Bequemlichkeit hier hereingeschafft hatte. Dann nickte er der kleinen Magd zu. »Raus.«
Sie nahm die Hände vom Spinnrad, sprang von ihrem Schemel auf und floh, wobei sie es vermied, Alice anzusehen. Lautlos schloss sie die Tür hinter sich.
»Ich will meine Belohnung«, erklärte Malachy. »Die hab ich verdient, weißt du.«
Alice erhob sich vom Fenstersitz und sah ihn unverwandt an, während er näher kam. Als er sie erreichte, fand sie sich in eine saure Wolke aus Weindünsten gehüllt. Ihre Kehle zog sichgefährlich zusammen. »Ihr solltet nicht vergessen, was Euer Vater gesagt hat, Sir«, riet sie.
Malachy lächelte. Es war ein eigentümlich verträumtes Lächeln. »Das kümmert mich nicht mehr. Wenigstens das hab ich erreicht, und das ist nicht einmal so wenig. Mein Vater lebt dafür, Gott zu versöhnen. Seit deine Tante ihm die Hand abgehackt hat … Nein, vorher schon. Immer hat er geglaubt, dass er ein furchtbarer Sünder ist und dass er alles tun muss, was er kann, um Gottes Gnade wiederzufinden. Aber ich bin fertig mit Gott.«
»Wohl eher umgekehrt«, entgegnete sie.
Malachy lachte glucksend. »Du hast Schneid, Herzblatt. Und eine lose Zunge.«
Wie alle Waringham, fuhr es ihr durch den Kopf, und sie wich einen Schritt zurück, als er die Lücke zwischen ihnen schließen
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