Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
untypisch schüchtern zu Wort.
»Dann geh ihnen nach und sorg dafür, dass sie Roland nicht noch schnell die Kehle durchschneiden«, befahl sein Vater.
»Aye, Captain.« Edmund rannte zum Bergfried, seine Miene zeigte Schrecken.
Doch schon wenig später kam er mit zwei von Devereux’ Rittern und Roland zurück. Sie durchquerten den Hof, hielten vor Julian an, und Devereux’ Männer traktierten ihn mit finsteren Blicken.
Julian schenkte ihnen keinerlei Beachtung, sondern betrachtete seinen Neffen. Roland rieb sich die geröteten Handgelenke. Anscheinend hatten sie ihn in Ketten gelegt. Ansonsten sah er unrasiert und schmuddelig aus, aber heil. »Alles in Ordnung?«, fragte sein Onkel brüsk.
Roland nickte. »Wenn du mir sagst, dass meine Frau und Kinder unversehrt sind.«
»Natürlich sind sie das«, warf Devereux empört ein. »Wofür haltet Ihr mich eigentlich, Neville?«
»Das wollt Ihr nicht wissen«, gab Roland verächtlich zurück.
Julian legte ihm kurz die Hand auf die Schulter. Dann nickte er Lucas und Edmund zu. »Wir verschwinden, Gentlemen. Selten hat es mich so gedrängt, Waringham zu verlassen. Grüßt Euren König von mir, Devereux. Sagt ihm, da ich keine Gelegenheit hatte, ihm persönlich zu seiner Krönung zu gratulieren, sei es mir ein Bedürfnis, ihm auf diesem Wege ewige Höllenqualen und Verdammnis zu wünschen.«
Während er sich abwandte, sah er aus dem Augenwinkel, dass Thomas Devereux sich erschrocken bekreuzigte.
Am nächsten Morgen verließen Julian und die Seinen wieder einmal die englische Küste, und dieses Mal segelten auchRoland Neville und seine Familie an Bord der Edmund mit in die Bretagne, denn auch sie waren nun heimatlos. Das war für sie, aber auch für Julian ein herber Schlag, nicht zuletzt in finanzieller Hinsicht, aber darüber sprachen sie nicht. Sie alle wussten, sie konnten froh sein, König Richards England unversehrt entronnen zu sein.
Etwa zu dem Zeitpunkt, da die Edmund die Themsemündung passierte und aufs offene Meer hinausfuhr, stieg Malachy Devereux auf das Dach des Bergfrieds von Waringham Castle. Die strahlende Morgensonne funkelte auf seinem Schwert, als er es aus der Scheide zog. Er nahm es in die Linke, hob es auf Schulterhöhe und schlug sich mit einem präzisen Streich die rechte Hand ab. Dann kletterte er auf die Zinnen, presste sich mit der verbliebenen Hand ein Federkissen vors Gesicht und stürzte sich in die Tiefe. Er hatte nicht gebeichtet.
Als sein Vater abends von der Jagd kam, fand er einen völlig aufgelösten Haushalt, einen verschlossenen Sarg und einen unzureichend mit Sand bedeckten Blutfleck im Burghof vor. Da er nicht ahnte, welchen Dienst sein Sohn dem neuen König erwiesen hatte, fand er für Malachys Freitod nur eine Erklärung: Gott war immer noch nicht damit fertig, ihn zu prüfen.
Rennes, September 1483
»Sie sind ein
hübsches Paar«, murmelte Blanche, als ihre Nichte Alice und Andrew Devereux nach der Brautmesse aus der kleinen St.-Pierre-Kirche traten. Es war ein bescheidenes Gotteshaus, das nahe am Ufer der Vilaine inmitten weiß getünchter Fischerhütten stand, aber Alice und ihrem Bräutigam war es lieber gewesen als die große Kirche in der Stadt.
»Du hast Recht«, stimmte Janet zu, wischte sich mit dem Ärmel über die Augen und hängte sich bei ihrem Gemahl ein. »Aber ich kann es einfach nicht glauben. Unser kleines Mädchen heiratet, Julian.«
Er seufzte. »Es hätte viel schlimmer kommen können, glaub mir.«
»Auf jeden Fall bekommt sie von allen Devereux den besten«, befand Jasper.
»Und ich hoffe, wir werden diesen frohen Tag verleben, ohne dass irgendwer sich zu irgendwelchen Bemerkungen über Waringham und Devereux und abgeschlagene Gliedmaßen hinreißen lässt«, sagte Blanche.
Ihr Bruder und Jasper tauschten einen amüsierten Blick, hielten sich mit besagten Bemerkungen aber zurück – zumindest vorerst.
Ihre Söhne und Töchter umringten das Brautpaar, um es ausgelassen zu bejubeln, und Robin und Owen leerten bereits den ersten Becher auf ihr Wohl.
»Wo haben sie den Wein her?«, fragte Blanche. »Wie macht ihr Männer das nur immer? Versteckt ihr den Weinschlauch im Hosenbund?«
»Lass sie feiern«, erwiderte Jasper ungewohnt nachsichtig, ohne indessen das Geheimnis zu lüften. »Ich schätze, wir alle haben ein bisschen Frohsinn verdient.«
»Na ja, da hast du Recht«, musste sie einräumen, stieß einen ihrer Söhne und einen ihrer Neffen energisch beiseite und schloss die Braut
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