Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
sicher war sie es, die hinter seiner Freilassung steckte, und er war ihr dankbar. Er wünschte nur, sie hätte ihn einen Tag eher hier herausgeholt.
Waringham, Juli 1483
Als Thomas Devereux sein Amt als Steward von Waringham antrat, hatte er jedem zutiefst misstraut, den er auf der Burg vorgefunden hatte – und das völlig zu Recht. Von Julians Rittern und Knappen war keiner mehr dort gewesen, wohl aber seine Mägde und Knechte und Torwachen, und sie alle hatten Devereux auf die unnachahmlich subtile, höchst kränkende Art und Weise der kleinen Leute zu verstehen gegeben, was sievon ihm hielten und wem ihre Loyalität gehörte. Das Gesinde hatte er eingeschüchtert, die Torwachen davongejagt und durch angeheuerte Finstermänner ersetzt. Aber all das war zwölf Jahre her. Immer noch gab es wenig Sympathie zwischen den Devereux und den Leuten von Waringham, aber sie hatten sich aneinander gewöhnt. Nach und nach hatte Thomas die Finstermänner – die nichts als Ärger machten und deren Sold ein Vermögen verschlang – wieder fortgeschickt, und so kam es, dass Julian am Tor seiner Burg auf zwei vertraute Gesichter traf.
»Pete, James«, grüßte er. »Wie steht es? Lasst ihr mich rein, oder muss ich euch die Köpfe abschlagen?«
Die beiden Torwachen wechselten einen unbehaglichen Blick. Julian hielt das blanke Schwert in der Hand, und etwas an seinem Ausdruck verriet ihnen, dass er das todernst meinte.
»Ich schätze, wir lassen Euch rein, Mylord«, antwortete James Wheeler. »Aber seid so gut und fesselt uns und nehmt uns die Waffen ab, eh Ihr reingeht. Und wenn es nicht zu viel verlangt ist, schlagt mir ein blaues Auge. Damit Sir Tom das Märchen glaubt, das wir ihm auftischen. Falls Ihr die Absicht habt, ihn leben zu lassen, heißt das.«
Julian war noch nicht sicher. Das hing ganz davon ab, was er hier vorfand. Er nickte knapp und gab seinen beiden Begleitern ein Zeichen.
Edmund und Lucas traten vor und entwaffneten die verschämt grinsenden Wächter. Julians Sohn und Ritter erwiderten das Lächeln nicht. Sie wirkten angespannt und grimmig. Tatsächlich hatten sie wenig zu lachen gehabt, seit Julian in Sevenelms zu ihnen gestoßen war.
Nach der Krönung und Julians geglückter Flucht aus Westminster hatte er sich einige Tage im Haus seiner einstigen Magd Anabelle verborgen, denn in London wimmelte es nur so von Soldaten und Spionen des neuen Königs, die nach ihm suchten. Er hatte nicht gewagt, Kontakt zu den Londoner Durham aufzunehmen, denn die waren Yorkisten.
Edmund, der nach Sevenelms geritten war, ehe seine Schwester spurlos verschwand und Roland verhaftet wurde, hatte ersterfahren, was in Waringham geschehen war, als Adam mit den schlechten Neuigkeiten zu Lucas’ Bruder gekommen war.
Aber nicht bevor Lucas aus dem Tower entlassen wurde und Julian ohne große Mühe ausfindig machte, hatte jeder herausgefunden, was aus den anderen geworden war, und Julian hatte seinen Ritter und seinen Sohn mit bitteren Vorwürfen überhäuft – den einen, weil er sich von den Yorkisten hatte schnappen lassen, den anderen, weil er Waringham verlassen hatte, statt auf seine Schwester Acht zu geben. Trotz der himmelschreienden Ungerechtigkeit dieser Vorhaltungen hatten Lucas und Edmund sie kommentarlos über sich ergehen lassen, denn sie wussten, Julian war halb wahnsinnig vor Sorge um Alice. Gemeinsam mit Lucas war er nach Sevenelms gekommen und hatte sich nicht einmal Zeit für einen Becher Ale genommen, sondern war umgehend weiter nach Waringham geritten, und so war es kein Wunder, dass ihre Pferde, die sie im Torhaus angebunden hatten, müde die Köpfe hängen ließen.
Während Edmund Pete die Hände auf den Rücken fesselte, stellte Lucas sich vor James, kniff schmerzlich die Augen zusammen und schlug ihm die Faust ins Gesicht.
Der Torwächter taumelte krachend gegen den Tisch in der Wachkammer und ging dann zu Boden.
»Leise«, knurrte Julian.
James stand wieder auf. »Mordsschlag, Sir Lucas«, lobte er.
»Danke. Dreh dich um.« In Windeseile war auch James fachmännisch verschnürt.
»Wo ist sie?«, fragte Julian.
»Im Rosenzimmer«, antwortete Pete. So nannten die Menschen auf Waringham Castle das Gemach im Bergfried, das über dem Rosengarten lag, weil es dort im Sommer immer so herrlich duftete. »Da haben sie sie eingesperrt, und meist steht eine Wache vor der Tür. Aber keiner von uns.«
»Roland?«, fragte Julian weiter.
Pete schüttelte ratlos den Kopf. »Eingekerkert, glauben wir. Niemand
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