Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
schmales Gesicht mit großen,dunklen Augen, die Haut deutlich dunkler als das grobe Leinen, welches Haar, Ohren und Hals verhüllte, denn sie war von der Arbeit im Freien gebräunter, als bei einer Dame der Fall sein sollte. Ihre Brauen – seit fast einem Jahr ungezupft – waren zu stark und machten sie hässlich, fand sie. Ihre ungeschminkten Lippen waren blass und rissig. Verhärmt war das Wort, das ihr in den Sinn kam. In fünf Jahren, schätzte sie, würde sie alt und verbraucht aussehen. Sie wandte den Blick lieber rasch von ihrem Spiegelbild ab und betrachtete stattdessen ihre Hände. Rau. Heute rot und aufgesprungen von der Wäsche. Sie waren fast noch schlimmer als ihr Gesicht. Mit einem ungeduldigen Laut ließ sie sie sinken, als plötzlich zwei große Männerhände ihre Linke umschlossen.
»Es ist nicht recht«, sagte Ivor leise. Es klang eindringlich.
»Lass mich los, Ivor, was fällt dir ein?«
Er ignorierte ihren Befehl. »Ihr müsst Euch wehren , Lady Blanche. Ihr seid eine starke Frau, ich weiß es. Lasst nicht zu, dass er Euch zugrunde richtet.«
Blanche riss ihre Hand los. »Tritt zurück, Ivor. Du vergisst dich. Du wirst mich auf der Stelle vorbeilassen, oder ich muss Sir Thomas sagen, dass du mir zu nahe getreten bist.«
Er machte einen halben Schritt zurück, stand aber immer noch direkt vor ihr. »Tut, was Ihr für richtig haltet. Aber wenn Ihr nichts unternehmt, wird er Euch in ein frühes Grab bringen wie die arme Lady Isabel, und das wäre wirklich ein Jammer.«
»Du kanntest seine erste Frau?«, fragte Blanche verblüfft.
»Seine zweite«, verbesserte der junge Bursche. »Er hat einen enormen Verschleiß an Gemahlinnen.«
»Was ist passiert?«
Ivor zuckte die Achseln. »Er hat sie bei sengender Hitze bei der Heuernte schuften lassen, obwohl sie hochschwanger war. Die Wehen kamen weit draußen auf der Ginsterwiese. Ehe die Hebamme aus dem Dorf geholt werden konnte, war sie verblutet.«
Blanche schauderte. »War es Andrews Geburt?«
»Nein. Es ist vor drei Jahren passiert. Das Kind war einMädchen. Es starb mit ihr.« Er streckte die Rechte aus, als wolle er sie wieder berühren, aber auf ihren warnenden Blick hin hob er begütigend beide Hände. »Ihr seid viel zu schade für diesen verfluchten Dreckskerl, Lady Blanche.«
»Ach wirklich?«, fragte Thomas Devereux.
Blanche und Ivor stoben auseinander.
Devereux, der offenbar an der Tür gestanden und gelauscht hatte, schlenderte gemächlich auf sie zu. Er sah von seiner Frau zu seinem Knecht und wieder zurück. Die dunklen Augen waren verengt, aber Blanche sah sie glimmen.
»Sir, lasst mich erklären …«, begann sie, aber er hob einen Zeigefinger, um sie zum Schweigen zu bringen. Dann packte er Ivor am Arm, zog ihn mit einem Ruck aus der Box, wo die beiden Pferde standen, und schlug ihm die Faust ins Gesicht. Ivor wurde krachend gegen die Stallwand geschleudert, fiel auf ein Knie, stand aber sofort wieder auf.
»Zu dir komm ich später«, versprach Sir Thomas ihm. »Jetzt pack dich.«
Ivor stand mit gesenktem Kopf vor ihm, die Hände zu losen Fäusten geballt. Man konnte sehen, wie er seinen Mut zusammennahm. Schließlich schaute er auf. »Eure Gemahlin trifft keine Schuld, Sir. Sie hat mir befohlen …«
»Noch ein Wort, und ich schleif dich morgen nach Chester und sorg dafür, dass der Sheriff dich aufhängt. Ich finde schon einen Grund.«
Ivor zögerte immer noch.
»Geh, um Himmels willen«, drängte Blanche leise. Sie wusste, der Narr machte alles nur schlimmer.
Mit einem kummervollen Blick in ihre Richtung wandte der junge Knecht sich ab und lief hinaus.
Blanche kam aus freien Stücken aus der Box. Sie wollte nicht, dass Calliope sich beunruhigte, und sie wollte zumindest den Anschein erwecken, als habe sie keine Furcht.
Thomas betrachtete sie von Kopf bis Fuß. »Ein hochmütiges Weib ist weiß Gott Strafe genug für einen Mann«, bemerkte er. »Aber ein unkeusches?«
»Sir, ich habe mir nichts zuschulden kommen lassen, und es ist nicht das Geringste vorgefallen.« Es war nicht leicht, ruhig zu sprechen. Sein Blick schien ihr die Luft abzuschnüren.
»Lüg mich nicht auch noch an. Ich habe gesehen, wie du ihn angeschmachtet hast, du Hure !«
Bei dem Wort zuckte sie zusammen. »Von der Tür aus? Auf zehn Schritte Entfernung im dunklen Stall?«
Sie sah den Schlag kommen, aber sie schaffte es nicht, ihm rechtzeitig auszuweichen. Die Faust traf ihr linkes Auge. Schmerz breitete sich sengend in ihrem Kopf aus. Sie
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