Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
fiel auf die Knie und hob einen Arm schützend vor ihr Gesicht. Devereux packte sie am Ausschnitt ihres Kleides und zerrte sie mit einem Ruck wieder auf die Füße. Der dünne, verwaschene Stoff riss entzwei. »Ich schwöre dir, den heutigen Tag wirst du so bald nicht vergessen«, drohte er und stieß sie vor sich her zur Rückwand, wo ein paar Strohballen aufgestapelt lagen. »Es hat den Anschein, als müsstest du deine Lektion noch einmal ganz von vorne lernen.« Von einem der rostigen Nägel an der Wand, die die Zaumzeuge und andere Reitutensilien hielten, nahm er seine lange Gerte. Er versetzte Blanche einen Stoß in die Nierengegend. »Na los. Knie dich hin.«
Blanches linkes Auge tränte, und sie spürte, wie es zuschwoll. Reglos und hoch aufgerichtet stand sie vor der Reihe aus Strohballen, mit dem Rücken zu ihrem Mann, beobachtete die goldenen Staubteilchen, die in dem einzelnen Sonnenstrahl tanzten, welcher durch die Tür fiel, und spürte, wie sie über den Rand in den Abgrund stürzte. Die Prügel konnte sie aushalten. Aber nicht, was danach kam. Sie hatte längst durchschaut, dass er sie schlug, weil es ihn erregte, solche Macht über sie zu haben, und sie fragte sich, wie oft sie das noch erdulden konnte, ehe sie daran zerbrach.
»Knie dich hin, hab ich gesagt, und ich werde es nicht noch einmal wiederholen!«
Blanche holte tief Luft und wappnete sich. Sie versuchte, ihre Atmung zu beruhigen. Dann ging sie in die Hocke, als wolle sie seinem Befehl gehorchen, doch plötzlich fuhr sie zuihm herum, richtete sich in der Drehung wieder auf und stahl ihm das Schwert aus der Scheide. Ihre Bewegungen waren von so graziöser Schnelligkeit, dass Devereux keine Chance hatte, es zu verhindern. Blinzelnd, mit einem beinah komischen Ausdruck dümmlicher Verblüffung starrte er auf die Klinge, die auf seine Brust gerichtet war. »Was zum Henker …«
»Es ist genug, Thomas. Es reicht. Du wirst mich nie wieder anrühren.«
Er erholte sich allmählich, betrachtete das schmale Persönchen mit dem gewaltigen Schwert in der Hand und fing an zu lachen. »Wenn du wüsstest, wie drollig du aussiehst. Aber jetzt wollen wir diese Posse beenden.« Er streckte die Hand aus. »Gib es mir. Du wirst noch jemanden verletzen. Komm schon, du kannst doch gar nicht mit so etwas umgehen.«
»Du täuschst dich.« Die Ritter ihres Cousins Robert hatten es ihr beigebracht. Allesamt Halunken waren sie gewesen, die es vermutlich getan hatten, weil das junge Mädchen im Kampfeseifer gelegentlich ein Stück Wade zeigte. Oder weil es ihre Mutter aufregte. Jedenfalls waren sie gute Lehrmeister gewesen, vor allem, was die miesen Tricks betraf. »Es ist mir ernst, Thomas, du solltest mir lieber glauben.«
Er schüttelte den Kopf, halb ungläubig, halb nachsichtig. »Jetzt ist es wirklich genug. Gib mir das Schwert. Dann nimm hin, was du verdient hast, und wir können wieder Freunde sein. Du weißt doch, ich tue es nur zu deinem Besten …« Er machte einen plötzlichen Satz auf sie zu, aber Blanche wich aus, glitt seitlich an ihm vorbei, und nun stand sie mit dem Rücken zur Tür, er vor den Strohballen. Ihr Weg war frei.
»Du tust es nicht zu meinem Besten«, widersprach sie. »Vielleicht hätte ich es ertragen können, wenn das der Fall wäre. Aber das ist eine der zahllosen Lügen, mit denen du dich selbst täuschst. »
»Was fällt dir ein, so mit mir zu reden?«
»Oh, das ist nicht weiter schwierig, solange ich bewaffnet bin und du nicht.«
Er versuchte es wieder mit einem seiner plumpen Überraschungsangriffe,aber Blanche war zu schnell für ihn. Sie wich einen Schritt weiter auf die Tür zu, und die Schwertspitze zeigte unverändert auf sein Herz. »Ich warne dich. Ich bin eine verzweifelte Frau, Thomas, und verzweifelte Menschen sind gefährlich. Ich glaube, ich könnte dich töten.«
Sein Zorn kehrte zurück. »Dann wirst du in die Hölle kommen, du gottloses Miststück!«
»Ich bin in der Hölle.«
Er sprang. Offenbar war er zu dem Schluss gekommen, dass er sie nur mit seinem größeren Gewicht bezwingen konnte, und machte einen Satz, als wolle er sich auf sie werfen. Blanche konnte wiederum ausweichen, aber sie stolperte über ihren Rocksaum, und ehe sie das Gleichgewicht zurückerlangte, hatte Thomas mit der Rechten ihren linken Unterarm gepackt. »Genug des Vorspiels«, verkündete er. Sein Gesicht zeigte ein halb zufriedenes, halb lüsternes Lächeln. Er zog sie näher. »Du machst dir ja keine Vorstellung davon, was dir
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