Das Spiel der Nachtigall
lächelte. »Wenn ich nun in den Genuss Eurer Poesie komme, freut mich das ungemein, zumal ich heute keine Dame um mich habe, die sonst gemeint sein könnte. Habt Ihr Euch wieder dem Minnelied zugewandt, Herr Walther?«
»Es gibt Dinge, die alle unsere Pläne verändern.«
»Nun, ich hoffe, dass Ihr nicht gekommen seid, um ein Klagelied auf des Kaisers Tod zu singen«, sagte sie nun sehr ernst. »Denn ich bin nicht die richtige Zuhörerin dafür.«
»Ich kann mir vorstellen, dass Ihr schon zu viele Lieder zu diesem Thema vernommen habt, Euer Gnaden. Ich würde gerne behaupten, dass ich kam, um Euer Kind zu preisen, doch auch Preislieder haben ihre Zeit, und die ist jetzt nicht. Wisst Ihr, dass die Leute in den Bergwerken Vögel mit sich nehmen, um gewarnt zu werden, wenn ihnen die Luft ausgeht?«
Niemand konnte Irene von Byzanz nachsagen, dass sie begriffsstutzig war. »Nein, das wusste ich nicht, doch es freut mich sehr, zu hören, dass Vögel auch Warnungen zwitschern können«, sagte sie leichthin. »Ihr müsst mir mehr darüber erzählen, mir und dem Herzog, denn er liebt die Natur wirklich sehr. Kommt in einer Stunde wieder, dann kann auch er aus Eurem Wissen Gewinne ziehen.«
Kapitel 17
P hilipp war Probst am Marienstift zu Aachen und Bischof von Würzburg, beides Ämter, die er innehatte, als er gerade dreizehn Jahre alt gewesen war, aber natürlich noch nicht ausübte, als er die Nachricht vom Tod seines Vaters erhielt. Fünf Jahre später war auch sein letzter Bruder Konrad tot, erstochen von der Frau, die er zu schänden versucht hatte, eine Todesart, die geheim gehalten wurde, solang es eben ging. Philipp hatte weder Konrad noch seine anderen Geschwister gut gekannt, und er sah auch seinen Bruder Heinrich, den Kaiser, nur selten; was er an Trauer empfand, war schwach und mit Scham vermengt. Doch gerade Konrads Tod hatte für ihn den Beginn eines anderen Lebens bedeutet, denn Kaiser Heinrich ordnete umgehend an, dass sein letzter Bruder das geistliche Leben zu verlassen habe.
Damals war die Kaiserin Konstanze zum ersten Mal schwanger gewesen, in einem Alter, wo man bezweifeln musste, ob sie oder das Kind überleben würden. Heinrichs Befehl war eine Vorsichtsmaßnahme, die jeder verstand. Als das Kind nicht nur überlebte, sondern sich auch als der lange erwartete Sohn herausstellte, fragte einer von Philipps Lehrern, der ihm im Schnellverfahren all das beibringen sollte, was er in seinem Kloster nicht gelernt hatte – zu Pferde und zu Fuß zu fechten, die höfischen Manieren, die wichtigsten Regeln des Rittertums –, ob er enttäuscht war. Philipp verneinte. Bei der Vorstellung, seinem Bruder nachfolgen zu müssen, war ihm nie wohl gewesen. Über den heiligen Augustinus zu debattieren und darüber, ob Abaelard oder Bernard von Clairvaux im Recht waren, war ein Leben, das Philipp mochte, bis Heinrich ihn herausriss. Einen Gegenpapst einzusetzen, wie es ihr Vater getan hatte, war eine Ungeheuerlichkeit, bei der Philipp nicht wusste, ob sie ihm Ehrfurcht oder Grauen einflößte. Auf gar keinen Fall wollte er selbst je eine solche Entscheidung treffen müssen. Nein, er freute sich über die Geburt seines Neffen und tat sein Bestes, um dem Kind die Thronfolge zu sichern.
Dass er heiraten musste, war für ihn eine fast so schwierige Aufgabe. Frauen waren für Philipp in seinem Kloster sehr selten gesehene Wesen aus einer anderen Welt. Die wenigen Male, bei denen er seiner Schwägerin Konstanze begegnete, tat sie ihm leid. Auch sie war Nonne in einem Kloster gewesen und galt als eine der gelehrtesten Frauen, bis eine Reihe von Toten in der Familie und der Ehrgeiz seines Vaters es fügten, dass sie mit Heinrich vermählt wurde, und der Unwillen, der von Anfang an zwischen dem Brautpaar herrschte, wurde so schnell zu Hass, dass ihre Verbindung sprichwörtlich für alle schlechten Ehen im Reich wurde. Den Rest seines Lebens mit einer Feindin zu verbringen, war nichts, das Philipp sich wünschte, und trotz der hastigen Lektionen im höfischen Wesen bezweifelte er, dass er imstande war, Liebe im Herzen einer Fremden zu erwecken. Doch worauf man ihn schon sein ganzes Leben vorbereitet hatte, war, Verhandlungen zu führen; schließlich sollte er ein Kirchenfürst werden, um eines Tages die Angelegenheiten seines Bruders beim Papst zu vertreten. Also entschloss er sich, mit der Prinzessin von Byzanz zu verhandeln.
»Ich will in Frieden mit Euch leben«, sagte er, als sie nach der Hochzeit zum ersten Mal
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