Das Spiel der Nachtigall
erleben, was die Königin Sybilla erleben musste, als dein Bruder Sizilien eroberte. Unserem Kind darf so etwas nicht geschehen.«
Ihr zu versichern, dass auf dieser Seite der Alpen keine Kinder entmannt würden, um die Anzahl von Erben zu verringern, kam ihm in diesem Augenblick nicht in den Sinn, denn gerade, weil er die Chroniken selbst gelesen hatte, wusste er, dass sie nicht unrecht hatte. Was einmal getan wurde, konnte wieder getan werden von jedem, der es für nötig erachtete.
»Es gibt jemanden, der dir Neues bringt, mein Gemahl«, sagte Irene, als sie am Abend zu ihm kam, »und ich glaube, es ist nichts, was vor aller Ohren gehört werden sollte.«
Ihr Nachrichtenträger stellte sich als Walther von der Vogelweide heraus, der Sänger, der Philipp in Frankfurt ein wenig zu erfolgreich gewesen war, um ihn sich ständig in seiner Umgebung zu wünschen. Philipp war nicht so eitel zu glauben, ein Auge, das scharf genug war, um die Fürsten in all ihrer Eitelkeit und Gier richtig zu sehen, würde ausgerechnet bei dem einen Fürsten das Lid senken, der solche Lieder gefördert hatte, oder gar eitel genug, anzunehmen, dass es bei ihm nichts zu erkennen gab. Also hatte er Walther als ein Mahl eingeschätzt, das zu schwer war, um oft genossen zu werden. Hin und wieder, gewiss, dem ein kluger Mann mit Wortmacht sollte immer lieber auf der eigenen Seite stehen als beim Gegner.
Walther fügte seinen Sorgen noch eine weitere, unerhörte hinzu, als er von dem Angebot des Kölner Erzbischofs an Berthold von Zähringen berichtete. Dass der Erzbischof eigenständig die Wahl eines neuen deutschen Königs betrieb, die offensichtlich gegen die Staufer gerichtet war, das wog schon schwer. Doch die offene Forderung nach Geld, das Versprechen auf die Krone gegen die Zahlung einer ganz bestimmten Summe, das war noch nicht da gewesen. Gewiss, jeder Herrscher, der Unterstützung haben wollte, hatte Versprechungen gemacht, an weltliche und geistliche Fürsten gleichermaßen. Aber dennoch sah Philipp einen Unterschied zwischen einem Zugeständnis wie das an Schweinspeunt, er dürfe Acerra behalten, um mit seiner Hilfe sicher zum Brenner zu kommen, und dieser Art von Kuhhandel.
Doch das Schlimmste war, dass er seinerseits mitbieten musste. Wenn er je eine Wahl gehabt hatte, dann bestand sie nun nicht mehr. Ein deutscher König, der nicht dem Haus Hohenstaufen entstammte, würde das Herzogtum Schwaben und allen Besitz der Staufer zerteilen, wie einst Philipps Vater das Herzogtum des Welfen Heinrich zerschlagen hatte, und die deutschen Fürsten würden nicht protestieren. Im Gegenteil, sie würden sich um die Teile reißen, genau, wie sie es bei dem Welfenherzogtum getan hatten. Dabei hatte Philipp noch Glück im Unglück: Ein ehrgeizigerer Mann als Berthold von Zähringen hätte den Teufel getan, statt ihn zu warnen, sondern seinen Beutel geleert, um auf den Thron zu gelangen.
»Euer Gnaden«, sagte Walther, »solange der Erzbischof glaubt, dass der Herzog von Zähringen willig ist, wird er keinem anderen Fürsten dieses Angebot machen, also habt Ihr noch Zeit, um selbst eine neue Wahl in die Wege zu leiten.«
»Oh, ich traue dem Erzbischof durchaus zu, dass er das Angebot an mehrere Fürsten zugleich macht«, sagte Philipp bitter, »und dann denjenigen krönen will, der ihm das geforderte Geld am schnellsten liefert.« Nur nicht an mich, ergänzte er in Gedanken.
Jetzt fügte sich alles zu einem Bild, auch Adolfs Abwesenheit in Frankfurt. Der Erzbischof musste die Staufer ähnlich hassen wie die Bürger von Montefiascone, wie so viele Menschen südlich der Alpen, obwohl es für Adolf keinen ihm bekannten Grund gab. Im Gegenteil, kein anderer Fürst hatte so profitiert wie der Bischof von Köln. Als Philipps Vater das Herzogtum der Welfen aufteilte, ging alles Land westlich der Weser an den Bischof. Er hätte wahrlich zufrieden sein können. Adolf nun ebenfalls ein Angebot zu machen, war sinnlos. Leider konnte er einem Erzbischof auch nicht Heinz von Kalden schicken, damit der den Mann zum Zweikampf um das Reich herausforderte. Der Papst, dachte Philipp, der Papst könnte dem Erzbischof befehlen, nicht mehr den Königmacher spielen zu wollen. Wenn sich ein Beweis für die Forderung nach einer bestimmten Summe in Silbermark erbringen ließ, dann musste der Papst sogar Schritte unternehmen – wenn er sich nicht mit einem Anteil begnügte. Aber Coelestin III. lag im Sterben. Gott allein wusste, wer der nächste Papst werden würde,
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