Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Spiel der Nachtigall

Das Spiel der Nachtigall

Titel: Das Spiel der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
Vom Netzwerk:
alleine waren, »und da Ihr selbst Euch am besten kennt, so wäre es gut, wenn Ihr mir verrietet, was Ihr Euch für ein Leben in Frieden von mir wünscht?«
    Sie betrachtete ihn nachdenklich. Irene glich nicht den Schönen aus den Liedern der Minnesänger, die alle blonde Haare und blaue Augen hatten, doch er erkannte, dass schwarze Locken und dunkle Augen genauso anziehend aussehen konnten.
    »Ich weiß, dass unter meinen Damen die Frauen Eurer wichtigsten Vasallen sein müssen, doch meine Mägde, meine Ärzte und meinen Kaplan möchte ich immer selbst wählen«, sagte sie. Das klang vernünftig, und er gestand es ihr gerne zu. Ein wenig Farbe stieg in ihre blassen Wangen. »Auch finde ich, dass wahrer Frieden nicht gehalten werden kann, wo Schläge verteilt werden. Es mag Euer Recht sein, doch – Ihr habt mich gefragt.«
    Er hatte nie die Hand gegen einen anderen Menschen erhoben, wenn man von den Übungen mit Holzschwertern einmal absah. Seine Lehrer im Kloster hätten ihn angewiesen, nicht zu schnell nachzugeben und so etwas zu entgegnen wie »gebt mir keinen Grund, Euch zu schlagen, Dame, und es wird nicht geschehen«, doch alles, woran er denken konnte, war, wie sein Bruder Konrad gestorben war. Die Scham, die er selbst in seinem Kloster empfunden hatte, war beträchtlich.
    »Auch ich teile diese Ansicht von wahrem Frieden«, entgegnete er und beschloss, gleich noch ein anderes heikles Gebiet bei ihren Verhandlungen zu betreten. »Darf ich nun meinerseits um etwas bitten?«
    »Gewiss.« Sie klang gleichzeitig erleichtert und vorsichtig.
    »Ihr wart schon einmal verheiratet, Irene. Ich war es nicht. Zwar habe ich mich in den letzten zwei Jahren bemüht, zu erlernen, was mir in unserer Welt noch fehlt, doch … gewisse Dinge waren nicht dabei. Ihr seid es also, von der ich lernen muss, und ich bitte Euch, eine geduldige und offene Lehrerin zu sein, denn ein Schüler kann nur lernen, wenn ihm gesagt wird, wo er etwas richtig und wo er etwas falsch macht.«
    Diesmal errötete sie, doch sie lächelte auch, was Grübchen in ihre Wangen malte. »Ihr seid so anders als Euer Bruder«, sagte sie und setzte eilig hinzu: »Das gereicht Euch zur Zier.«
    »Dann werdet Ihr …«
    »Ihr werdet mich ehrlich und geduldig finden, Philipp.«
    Für sie beide öffnete sich eine neue Welt, in der sie voneinander lernten, denn Irenes vorherige Ehe hatte nicht lange gedauert. Philipp verschob deshalb seine Abreise nach Italien, um seinen Neffen zu holen, solange es überhaupt ging, aber im September war es nicht mehr zu vermeiden, wenn er auf der Rückreise noch einen der Pässe frei für eine Überquerung finden wollte.
    Seit ihn in Montefiascone die Nachricht von Heinrichs Tod erreicht hatte, fühlte er sich von einem Traum erneut in einen Alptraum gestürzt, und nicht nur, weil er sich auf einmal inmitten eines Meeres von Hass wiederfand. Er hätte die Feste vielleicht halten können, doch für eine lange Verteidigung war keine Zeit, denn die schlechten Nachrichten rissen nicht ab. Diepold von Schweinspeunt traf fluchend bei ihm ein und zeterte darüber, wie »die normannische Hure« mit den treuen Anhängern ihres Gemahls umging. Gleichzeitig schwor er, dass derzeit nach Sizilien kein Durchkommen mehr war.
    »Nicht, wenn Ihr nicht zuerst ein schlagkräftiges Heer zusammenstellt. Hört, an meinen Lehen ändert sich doch nichts, oder? Der Kaiser hat mir meine Grafschaft selbst verliehen. Dieses Weib hat nicht das Recht, mir Acerra wegzunehmen!«
    Philipp wurde zum ersten Mal klar, dass er keine ehrliche Antwort auf derartige Fragen hatte, die von nun an ständig auf ihn zukommen würden. Sein Neffe war König, doch ein dreijähriges Kind konnte keine der notwendigen Entscheidungen treffen. Natürlich hatte es in der Geschichte schon öfter eine solche Situation gegeben. Die Kaiserin Adelheid von Burgund hatte wie ihre Schwiegertochter, die Kaiserin Theophanu, lang für ihren Sohn regiert, vor gut zweihundert Jahren. Doch wenn Konstanze beabsichtigen würde, die Regentschaft für ihren Sohn zu übernehmen, dann war es ein schlechter Anfang, sich der deutschen Ritter und ihrer Kriegsknechte zu berauben. Es war ja nicht so, dass sie noch auf einen normannischen Adel zurückgreifen konnte, nicht, nachdem Heinrich alle männlichen Mitglieder hatte umbringen oder kastrieren lassen. Außerdem misstraute man ihr nördlich der Alpen; niemand hatte vergessen, dass Heinrich sie beschuldigte, sich mit ihren normannischen Verwandten verschworen

Weitere Kostenlose Bücher