Das Spiel der Nachtigall
organisiert, nicht an meiner. Es wäre mehr als hilfreich zu wissen, um welche Fürsten es sich dabei handelt.« Da Walther schwieg, setzte Philipp trocken hinzu: »Es sei denn, eine Reise nach Köln erscheint Euch als unwürdig für Euer Talent, oder gar als zu gefährlich?«
»Nein«, sagte Walther. »Ganz gewiss nicht. Ich glaube, eine Reise nach Köln wird genau das Richtige für mich jetzt sein.«
* * *
Stefan verhandelte drei Tage lang, dann berichtete er Judith, er habe die Einwilligung König Richards zu allen Kölner Bedingungen.
»Ich weiß«, sagte sie und versuchte, die Übelkeit in ihrem Magen zu unterdrücken. Er war nicht der Einzige, der an diesem Tag die Burg von Chinon besucht hatte.
Als sie vom Kloster St. Mexme zurückkehrte, waren sie und Gilles von Soldaten aufgehalten worden, denen befohlen worden war, die Ärztin Jutta von Köln zu ihrem Herrn zu bringen, dem Grafen von Poitou. Für Judith fühlte es sich an, als hätte das Schicksal, dem sie bisher entkommen war, sie eingeholt. Gilles, der nichts von Wien wusste, war auch beunruhigt gewesen, wiewohl aus anderen Gründen. Er hatte sich in einen hitzigen Wortwechsel mit den beiden gestürzt, den Judith nicht verstand, doch der Empörung auf Gilles’ Gesicht und dem Gelächter der Kriegsknechte nach hatte er ihre Ehre verteidigt, bis sie ihm eine Hand auf den Arm legte. »Ich glaube nicht, dass der Graf eine Geliebte sucht«, sagte sie, damit sich Gilles nicht auf einen Kampf einließ. Sie mochte ihn, und gegen zwei Mann der Schlosswache mochte er vielleicht gewinnen, obwohl dadurch nichts gewonnen war. Vergeblich versuchte sie, nicht daran zu denken, was ihr Gilles und Stefan über Blois erzählt hatten und über das Schicksal der Juden dort.
Gilles hatte darauf bestanden, an ihrer Seite zu bleiben, und sie war mehr als einmal versucht, seine Hand zu ergreifen: während des langen Wegs zur Burg, während jedes Schrittes durch den Hof, so voller Tiere und Menschen, dass er die Pfalzen der Herzöge von Österreich im Vergleich dazu leer erschienen ließ, durch die Gänge voller Wachen, Bittsteller und Höflinge. Aber sie war kein Kind mehr, und sie würde sich nicht wie ein verschrecktes Mädchen benehmen.
Der Graf erwartete sie gemeinsam mit einigen anderen Männern, die bei einem Würfelspiel saßen. Er sprang auf und sagte freudig: »Aber da seid Ihr ja endlich! Magistra, im Badehaus seid Ihr so schnell verschwunden, dass ich mich gar nicht richtig bei Euch bedanken konnte.« Sein Gesicht war nicht länger geschwollen, und er strahlte nichts als Wohlwollen aus. »Außerdem, Ihr müsst mich ja für einen Geizkragen sondergleichen halten.«
»Keineswegs«, brachte sie heraus. »Ich bin von Euren Leuten großzügig entlohnt worden.«
»Bah«, sagte er und schnipste mit den Fingern. Ein Diener brachte ihm eine kleine Holzschatulle. »Großzügig für einen Grafen vielleicht. Aber wisst Ihr, Eure leichte Hand hat mir Glück gebracht. Nachdem Ihr mich von meinem Zahn befreit habt, erfuhr ich etwas, das mein ganzes Leben verändert, also ist mir nach Feiern zumute.«
Vermutlich hatte ihm sein Onkel erzählt, dass sein älterer Bruder König und Kaiser werden sollte. Für einen Edelmann, der in der Verbannung herangewachsen und auf das Wohlwollen seiner Verwandten angewiesen gewesen war, stellte dies in der Tat einen doppelten Grund zum Feiern dar.
»Ich habe meine Leute auf mein Wohl trinken lassen, da sollt Ihr auch nicht leer ausgehen«, schloss er und winkte sie zu sich. Er holte zwei weit größere und deutlich schwerere Silbermünzen aus der Schatulle, als sie von seiner Wache bekommen hatte, und drückte sie ihr in die Hand. Judith wollte ihren höflichen Dank ausdrücken, als sich seine Finger um ihr Handgelenk schlossen. »Schließlich«, fügte er hinzu, »sind wir alte Bekannte, Magistra, oder etwa nicht?« Alles an ihr erstarrte, aber er zog sie nur noch etwas näher an sich heran. »Zugegeben, es hat eine Weile gedauert, bis es mir wieder eingefallen ist. Gar so viele Heilerinnen aus Köln kann es nicht geben. Freunde«, sagte er zu seinen Gefährten, »denkt Euch, als der österreichische Hund, der meinen Onkel gefangen genommen und mich zu seiner Geisel gemacht hatte, in den letzten Atemzügen lag, da war er so verzweifelt, dass er Juden an sein Sterbebett ließ. Es war ein ergötzlicher Streich des Schicksals, denn ich half unserer Magistra und ihrem Vater dabei, zu ihm vorzudringen. Den Vater hättet Ihr sehen müssen! Ein
Weitere Kostenlose Bücher