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Das Spiel der Nachtigall

Das Spiel der Nachtigall

Titel: Das Spiel der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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in Österreich und nun in Chinon erlebt hatte, und dass er bisher keine Drohung wahr gemacht hatte. Möglicherweise war er voll ritterlicher Tugenden und fähig, die Geschicke eines Landes zum Besseren zu lenken. König David galt als der größte Herrscher Israels, doch er hatte mitunter sehr üble Dinge getan; er hatte die Frau des Hethiters Uriah begehrt, mit ihr Ehebruch begangen und für den Tod Uriahs gesorgt. Gott hatte David dafür durch den Tod seines Sohnes bestraft, aber er hatte sein Gesicht nicht von David abgewandt. Vielleicht war auch Otto dazu bestimmt, ein großer Herrscher zu werden. Es war nicht an ihr, darüber zu richten, weil sie ihn nicht mochte.
    Dann wieder hörte Judith sein Lachen, das Lachen über die Vorstellung, der Herzog von Österreich sterbe einen qualvolleren Tod durch den Anblick eines Juden, und sie wusste mit jeder Faser ihres Herzens, dass ein Mann, der über die Schmerzen und den Tod eines anderen aus vollem Herzen lachen konnte, nie Macht über andere Menschen haben sollte.
    An ihrer Lage änderte es nichts, ob Otto nun missverstanden oder ein adliger Schurke war. Genauso gut hätte sie in Salerno bleiben und Meir heiraten können. Nein, das wäre weitaus besser gewesen, denn immerhin war Meir sowohl ein guter Arzt als auch Jude. Von Gilles wusste sie nur, dass er ein umsichtiger Reisegefährte war und es sich gut mit ihm plaudern ließ. Es war besser als nichts, aber bei weitem nicht genug.
    Plötzlich kam ihr eine Idee. »Die christlichen Bischöfe können Ehen für ungültig erklären, wenn sie nicht vollzogen und unter falschen Voraussetzungen geschlossen wurden, nicht wahr?«
    So schnell, wie der Zorn in die Miene ihres Onkels gestiegen war, so schnell verflog er wieder, und es festigte ihren Argwohn, dass er auch diese Gemütsregung wie einen Schild benutzt hatte, um seine wahren Gedanken zu verbergen und sich bei ihr durchzusetzen.
    »Soweit mir bekannt ist«, sagte Stefan aufgeräumt.
    Der Erzbischof von Köln schuldete ihr noch einen Gefallen. Die Zukunft sah nicht mehr ganz so unannehmbar aus. Judith beschloss, die Zeremonie über sich ergehen zu lassen. Sie hätte gerne mit Gilles gesprochen, doch Otto hatte darauf bestanden, ihn in der Burg zu behalten und auf die Hochzeit vorzubereiten. Man konnte es aber durchaus auch als Geiselnahme verstehen, darin hatte Otto ja Erfahrung. Judith war gestattet worden, in die Stadt zurückzukehren, weil ihr als Frau wohl niemand zutraute, alleine Chinon zu verlassen.
    Es waren erneut ein paar Mitglieder der Schlosswache, die Judith und Stefan holten und zu der kleinen Kapelle in der Burg brachten, wo sie Otto, seine Höflinge, ein paar Frauen, die dem Stoff ihrer Kleidung nach Dienerinnen, nicht etwa Hofdamen waren, und Gilles erwarteten. Er steckte in einem reichbestickten roten Rock, der für einen viel kleineren Mann geschneidert war. Man hatte ihm sogar die neumodischen Schuhe mit eng zulaufenden, nach oben gebogenen Spitzen gegeben, die kein Mensch mit der Absicht, mehr als zehn Schritte am Tag zu machen, tragen sollte. Gilles schaute so unglücklich drein, dass Judiths eigener Ärger etwas geringer wurde. Auch er wird hier zur Belustigung eines Fürsten zu etwas gezwungen, das er nicht will, dachte sie und lächelte ihn ermutigend an. Sein Gesicht heiterte sich auf, und er erwiderte ihr Lächeln.
    »Auf in den Kampf, mein Freund«, sagte Otto und schlug Gilles auf die Schulter. »Der Kaplan hat etwas von Aufgeboten geschwatzt, die erst verkündet werden müssen, aber ich habe ihm versichert, dass Ihr und unsere Magistra einander schon lange versprochen seid und alle Aufgebote verlesen wurden. Aber wen haben wir denn da? Meister Schlom?«
    »Stefan«, sagte ihr Onkel gemessen und höflich.
    »Ich wusste, dass es etwas in der Art sein musste. Nun, Meister Stefan, Ihr scheint so etwas wie der Vertreter des Vaters zu sein, aber ich fürchte, ich muss das Recht des zukünftigen Königs in Anspruch nehmen. Die Braut ihrem Bräutigam zu übergeben ist zu schön, um nun darauf zu verzichten.«
    Er nahm Judith beim Arm und führte sie bis an die Schwelle der Kapelle, wo sein Kaplan stand. Christliche Hochzeiten fanden immer vor den Kirchen statt, um so vielen Zeugen wie möglich die Gelegenheit zu geben, dabei zu sein. Diesmal waren es außer Ottos Gefährten und den kichernden Mägden nur ein paar neugierige Gesindemitglieder, die jedoch bald die Achseln zuckten und weitergingen.
    »Ich hoffe, Euch gefällt der Ring, mein

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