Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Spiel der Nachtigall

Das Spiel der Nachtigall

Titel: Das Spiel der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
Vom Netzwerk:
echter Trödlerjude wie aus den Fastnachtsspielen, ein schwarzer Uhu sondergleichen, und ich wette, der alte Leopold hat bei diesem Anblick in sein Bett gepinkelt vor Angst, während er starb.«
    Ottos Gefolgsleute brachen in Gelächter aus, in das er einstimmte, so herzhaft, dass er sich mit seiner freien Hand die Tränen aus den Augen wischte, ehe er sich wieder beruhigte.
    »Ihr dagegen seid ein Anblick, der jeden Kranken aufheitern muss, meine Teure.« Der Daumen seiner anderen Hand bewegte sich über ihre Haut. »Ihr versteht Euer Gewerbe tatsächlich. Mit Euch würde ich täglich ins Badehaus gehen, bis wir ein eigenes in meiner Pfalz haben. Wenn ich König bin, dann dürft Ihr Euch der Gnade Eures Herrschers für seine Magistra gewiss sein.«
    Ein Blick zur Seite zeigte ihr, dass Gilles starr am Eingang des Gemaches stand. Er konnte und sollte ihr nicht helfen, nicht, wenn es gegen einen Grafen ging, der ihr gerade verkündet hatte, dass er demnächst die deutsche Krone tragen würde.
    Vielleicht verstand sie Otto falsch? König Richard hatte keine Kinder. Einer seiner Neffen musste zu seinem Nachfolger werden, wenn es nicht sein ungeliebter Bruder sein sollte, der, dem Vernehmen nach, sogar eine höhere Summe als das geforderte Lösegeld geboten hatte, wenn man Richard noch etwas in Österreich behielte. Vielleicht war Otto dazu ausersehen? Ja, gewiss sprach er davon, englischer König zu werden, nicht deutscher. Nicht, dass ihn dieser Unterschied weniger gefährlich machte.
    »Danke, Euer Gnaden«, sagte sie und malte das strahlendste Lächeln auf ihre Lippen, zu dem sie imstande war. »Mein Gemahl und ich sind froh, das zu hören.«
    »Euer Gemahl?«, fragte Otto. Sie wollte gerade Stefan nennen, schließlich hatten sie sich die ganze Reise lang als Mann und Weib ausgegeben, doch dann trat Gilles einen Schritt vor.
    »Ich habe diese Ehre«, sagte er und fügte noch etwas auf Französisch hinzu. Einer der Wachen, die sie in die Burg gebracht hatten, sagte ebenfalls etwas, und Otto ließ Judiths Handgelenk los.
    »Bei Gott, dann sollte ich Euch beglückwünschen«, wandte er sich sichtbar enttäuscht, aber gönnerhaft auf Deutsch an Gilles, »denn nicht nur habt Ihr eine schöne Frau, nein, Ihr habt auch eine Seele für das Christentum gerettet. Die Pfaffen schaffen dergleichen nur mit Predigen, unsereiner muss dafür Füße ins Feuer halten, aber Ihr fechtet erfolgreich für Gott im Bett.« Er zwinkerte Gilles zu. »Und mit ihren Händen umgehen kann sie auch. Wie gesagt, Ihr seid ein Glückspilz.«
    Zwei von Ottos Gefährten, die offensichtlich Deutsch verstanden, lachten. Vor Judiths geistigem Auge tauchten einmal mehr die vielen Arten auf, wie man als Arzt einen Menschen töten konnte. Es half nichts. Aber wenn sie nicht auf irgendeine Weise zurückschlug, würde sie ersticken. Also sagte sie auf Latein: »Darf ich Euch als Ärztin einen Rat geben, Euer Gnaden? Besteigt den Thron nicht, wenn Ihr ein langes Leben wünscht. Zu herrschen, scheint der Gesundheit nicht förderlich zu sein, und die Verdauung stört es obendrein. In Salerno ließ man uns die Berichte darüber studieren, wie der Urgroßvater des englischen Königs und sein Vetter nach dem Genuss von Neunaugen starben. Es wäre doch kein Leben für Euer Gnaden, wenn Ihr Euch bei jedem Fieber und jedem Fischmahl fragen müsstet, ob jetzt Eure Stunde geschlagen hat.«
    Otto kniff die Augen zusammen; die übrigen Männer im Raum sahen unsicher zu ihm hin, als ob sie erst herausfinden wollten, ob er die Bemerkungen als Scherz oder ernst nahm, ehe sie selbst eine Reaktion zeigten. Besser, nicht lange genug zu bleiben, um es herauszufinden. Judith knickste.
    »Heil Euch und ein langes Leben, Graf Otto«, sagte sie süß und wandte sich um, jeden Schritt zählend in der Befürchtung, dass er sie aufhalten würde. Als sie die Tür erreicht hatte, sprach er.
    »Wann war denn Eure Hochzeit?«
    »Nun, Euer Gnaden«, stammelte Gilles.
    »So lange kann sie noch nicht zurückliegen, wenn Ihr Euer Haar noch immer wie ein Mädchen tragt«, sagte Otto. »In der Tat meine ich mich zu erinnern, dass Ihr selbst in Klosterneuburg mehr wie eine Ehefrau ausgesehen habt.«
    Judith erinnerte sich dunkel, dass sie damals ihr Haar vollständig mit Leinenbinden und Haube bedeckt hatte. Ich schulde ihm keine Erklärung, dachte Judith, was sich als Fehler erwies, denn dadurch fühlte sich Gilles erneut aufgefordert, für sie zu sprechen.
    »Wir sind einander nur versprochen

Weitere Kostenlose Bücher