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Das Spiel der Nachtigall

Das Spiel der Nachtigall

Titel: Das Spiel der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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herum standen Fackelträger, doch allmählich schwand der letzte Rest jener Beleuchtung, und das Licht des Neumonds nahm zu. Dennoch war es schwer, die Hand vor den Augen zu erkennen. Unwillkürlich schauderte sie. Gilles löste seinen Umhang und legte ihn um sie, obwohl sie bereits einen Mantel trug. »Als meine Gemahlin«, sagte er, »hätte ich Euch besser beschützen sollen.«
    Es lag ihr auf der Zunge, zu antworten, dass er sein Bestes getan hatte und mehr als ihr Onkel, obwohl eine gezwungene Ehe ihn zu nichts verpflichtete. Aber sie spürte Ottos Hände immer noch an ihren Hüften, seinen Kopf zwischen ihren Beinen, und mit einem Mal blieb sie stehen, sank auf die Knie und übergab sich.

Kapitel 18
    F ür Walther war es nicht einfach, eine Audienz beim Erzbischof von Köln zu erlangen. Anders als Wolfger von Passau war Adolf von Altena kein Freund der Musen, oder er brauchte keinen Sänger für seine Weihnachtsfeste. Der Hinweis darauf, dass Bischof Wolfger sein Gönner sei, brachte Walther vom Haushofmeister nur die höhnische Antwort, dergleichen könne jeder behaupten. Ob er denn ein Empfehlungsschreiben habe?
    Das hatte er nicht. Also tat er, was für Neugierige immer am einfachsten war: Er machte eine gut besuchte Schenke aus und hörte sich den neuesten Tratsch an. Oberste Gesprächsthema war immer noch der Tod des Kaisers und die Folgen. Inzwischen breitete sich das Gerücht aus, das Kind in Sizilien sei tot, oder gar nicht der Sohn des Kaisers, sondern eines Schlächters aus Jesi.
    »Ganz gleich, wessen Sohn der Junge ist«, sagte ein Mann, »der Erzbischof hat bei seiner Predigt gesagt, dass seine Mutter und der Staufer ihn nicht haben taufen lassen! Somit sind alle Treueschwüre hinfällig, wenn ihr mich fragt. Kein Ungetaufter kann König der Deutschen sein, und Eide schwören kann man Ungetauften schon gleich gar nicht!« Das führte zu weiterem Nicken bei allen in Hörweite; außerdem stimmte jeder überein, dass ein Kind als König nichts als Unglück brachte. »Wie war der Bibelvers, den der Erzbischof in seiner letzten Predigt verwendet hat? Weh dir, Land, des König ein Kind ist. «
    Selbst für Köln, so schien es, waren ausgesprochen viele Fremde in der Stadt, Boten für diesen und jenen hohen Herrn oder Kaufmann. Walther hörte über den Bechern, die er bringen ließ, um sie auszuhorchen, sächsische, thüringische und badische Akzente. Österreichische oder bayerische waren nicht dabei; offenbar war Leopold glücklich mit der Steiermark und nicht gesonnen, sich an Unternehmungen des Erzbischofs zu beteiligen. Oder vielleicht war es einfach noch zu früh dafür?
    Niemand sprach von den verwüsteten Dörfern, durch die Walther gekommen war. Als er das Gespräch darauf brachte, meinten alle, es gäbe mehr Räuberbanden als in den letzten Jahren, und es würde Zeit, wieder für Recht und Ordnung zu sorgen. Aber es interessierte nicht wirklich, höchstens, dass man die Überlebenden nicht in der Stadt sehen wollte, es kämen ohnehin schon genug, die man durchzufüttern habe.
    Ein Sachse wollte wissen, dass seinem Herzog die Krone angeboten worden war, obwohl er noch nicht wieder aus dem Heiligen Land zurückgekehrt sei, jedoch ganz gewiss am Leben und auf dem Weg in die Heimat. »Nein, nein«, entgegnete ein Badenser, »der Herzog von Zähringen ist es, der unser nächster König werden wird. Er ist von allen Herzögen der reichste, bis auf Philipp und die Österreicher. Ganz bestimmt wird es der Zähringer.« Der nächste Gast votierte für den Brabanter.
    »Was, wenn es Herzog Philipp wird?«, fragte Walther. Nicht, weil er erwartete, Zustimmung zu hören, sondern weil ihn die Einwände interessierten. Kein Besucher einer Kölner Schenke wollte einen weiteren Staufer, doch sie hatten unterschiedliche Gründe dafür: Die meisten waren sich einig, dass jemand, der seinem Neffen die Treue brach, es nicht verdiente, König zu werden, ungeachtet dessen, was sie gerade selbst über Eide ihrer Herren gegenüber ungetauften Kindern behauptet hatten; wenn Philipp sich zur Wahl stellte, bewies er damit eindeutig seine Unwürdigkeit.
    »Außerdem ist er doch ein halber Mönch ohne Mumm in den Knochen«, fügte ein Bäcker hinzu. »Und selbst kaum dem Kindesalter entwachsen.«
    »Wisst Ihr, wen wir wirklich brauchen?«, sagte ein Gast und setzte mit Wucht den Bierkrug ab. »Einen Welfen! Wenn sie Heinrich den Löwen nicht verbannt hätten, wäre alles anders gekommen, das sage ich euch. Dann gäbe es

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