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Das Spiel der Nachtigall

Das Spiel der Nachtigall

Titel: Das Spiel der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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an Gottesdiensten teilgenommen habt. Und wenn ich mich recht besinne, dann hat man in Braunschweig davon gesprochen, dass der Kerl, der vor seiner Strafe wegen Männerliebe weggelaufen ist, mit einer Jüdin verheiratet ist. Wisst Ihr, Bischof Konrad verabscheut das Volk der Gottesmörder. Er hat mir einmal erzählt, dass Seine Heiligkeit der Papst in Paris während ihres gemeinsamen Studiums die Ansicht geäußert hat, es sei von Grund auf falsch, Juden herumlaufen zu lassen wie Christenmenschen oder ihnen zu gestatten, unter ihnen zu wohnen. Man müsste sie in ihre eigenen Viertel sperren, wenn man sie denn überhaupt in einem christlichen Land duldet. Jeder von ihnen sollte ein Kleidungsstück tragen, auch um Mischehen von vornherein auszuschließen, welches sie sofort als das offenbart, was sie sind: Gottesleugner. Gottesmörder. Mit dem Blut Christi an ihren Händen. Nur töten, das solle man sie nicht. Sie sollten zu einem Leben, schlimmer als der Tod, bewahrt bleiben, das war damals schon die Meinung unseres Heiligen Vaters!«
    Judith starrte ihn an. Ihre Lippen öffneten sich, und Walther war sicher, was auch immer sie sagen wollte, wäre etwas, das sie in noch mehr Gefahr bringen würde, also sprach er schnell das Erste aus, was ihm in den Sinn kam.
    »Vielleicht habe ich es falsch gehört in meiner Kirche, aber unser Pfarrer hat uns immer vorgelesen, dass es die Römer waren, die unsern Herrn Jesus haben kreuzigen lassen.«
    »Hat Euch jemand um Eure Meinung gebeten, Herr Walther?«, fragte Botho ungehalten. »Ich kenne meine Bibel.«
    »Lasst die beiden Herren über die Bibel sprechen und uns vorausreiten«, sagte Gilles zu Judith. »Wenn in Bamberg kein Raum für die Markgräfin von Meißen und ihr Gesinde war, dann haben wir es bestimmt auch schwer, Platz zu finden, aber wenn du dich bei der Königin zurückmeldest, dann wird sie dir gewiss bei ihren eigenen Damen etwas anbieten. Schließlich schätzt sie dich sehr.«
    Bei allen Heiligen, dachte Walther. Gilles ist alles andere als dumm. Das war ein ausgesucht kluger Einwand, der Botho klarmachen musste, dass Judith die höchstgestelltesten Gönner hatte. »Recht hast du, mein Freund«, sagte er laut und schlug Gilles auf die Schultern. »Lasst euch von uns nicht zurückhalten. Mein Pferd scheint etwas zu lahmen. Würdet Ihr es Euch ansehen, Herr Botho? Ihr müsst der beste Pferdekenner unter uns sein.« Er stieg ab und hob den linken Vorderhuf seines Pferdes, bevor er weitersprach. »Markwart und mir macht es nichts aus, im Stall zu nächtigen, bis etwas Geeignetes gefunden ist, aber es wäre doch gelacht, wenn die Leibärztin der Königin nicht in ihrem Vorzimmer nächtigen würde.«
    Botho zeigte keine Anzeichen, dass er zuhörte. Stattdessen verengten sich seine Augen zu Schlitzen, doch er stieg ebenfalls ab und griff nach dem Huf von Hildegunde. Er verfolgte dabei aber mit seinen Augen Gilles und Judith, bis sie hinter der nächsten Biegung verschwunden waren. Dann sprach er Walther direkt an.
    »Wisst Ihr, was man mit vorlauten Vögeln tut, da, wo ich herkomme? Man dreht ihnen die Hälse um.«
    Heute war eindeutig nicht Walthers Tag. Abwesend fragte er sich, welches seiner Körperteile als Nächstes bedroht werden würde. »Dann hättet Ihr zwar einen toten Vogel, aber immer noch niemanden, der Euch von den geheimen Absichten des Bischofs erzählt.«
    Langsam sog der Neffe des Reichshofmarschalls Luft zwischen seinen Zähnen ein. »Dann erzählt«, sagte er hart.
    »Mein guter Mann, ein Vogel will erst gefüttert werden. Vor allem, wenn er gerade höchst unfreundlich bedroht wurde. So etwas ermutigt nicht zum Singen.«
    Hinter Botho machte Markwart ein unglückliches Gesicht, doch er legte seine Hand auf die Keule, die am Sattel hing und mit der er gelernt hatte umzugehen.
    »Hmm. Wenn das kleine Miststück die Ehe mit Euch bricht, dann wird sie wohl auch diesen angeblich heiligen Ärzteschwur brechen, das ist wohl klar«, sinnierte Botho laut. »Nun, ich bin durchaus bereit, Euch zu glauben, dass Ihr in Erfahrung bringen könnt, was ich wissen will, aber warum zum Teufel soll ich Euch dafür das Maul mit Gold statt mit meiner Faust öffnen, Herr Walther? Um ganz offen zu sein, wenn Ihr nicht reden und nicht singen könnt, dann seid Ihr für mich gar nichts. Das macht Euch doch Angst, oder? Stumm zu sein? Und jetzt stellt Euch vor, jemand schneidet Euch die ach so gewandte Zunge heraus.«
    Nein, es war ganz und gar nicht sein Tag. Aber mit einem Mal

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