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Das Spiel der Nachtigall

Das Spiel der Nachtigall

Titel: Das Spiel der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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falschen Blickwinkel zu betrachten: »Du meinst, du hättest als … äh … Sänger eines so leckeren und reichen Weibsstücks wie der Markgräfin für dein Leben aussorgen können und rennst stattdessen einer schwierigen, ständig Kopfschmerz verursachenden Frau wie der Magistra hinterher? Walther, du musst von allen guten Geistern verlassen sein!«
    »Die Magistra hat nicht damit gedroht, mich zu kastrieren, und ihr Gemahl hat auch nicht die Macht oder das Gemüt, um mir bei lebendigem Leib die Haut abziehen zu lassen – das sieht bei Jutta deutlich anders aus. Also scheint mir, dass ich die richtige Wahl getroffen habe«, gab Walther grimmig zurück. Markwart hörte auf zu feixen und half dabei, die Pferde zu satteln und zu bepacken. Als Judith mit Gilles auftauchte, stellte Walther fest, dass sich Markwarts Grinsen auf Gilles’ Miene spiegelte, und fand das ausgesprochen undankbar.
    Sie kamen an diesem Tag noch bis zum Kloster in Ebrach. Judith ging sofort zum Bruder Medicus, um zu hören, welche Kräuter sie erwerben konnte. Sie kehrte mit Botho zurück, dem sie im riesigen Komplex dieses Klosters begegnet war.
    »Wie ich höre, seid Ihr auf dem Weg nach Bamberg, Herr Walther. Das trifft sich gut, denn auch ich will an den Hof des Königs, um meinem lieben Onkel, Heinz von Kalden, meine Aufwartung zu machen. Da ich allein unterwegs bin, können wir morgen gemeinsam weiterreisen!«
    Botho war Walther mittlerweile unangenehm, doch es gab keine vernünftige Art und Weise, sein Angebot abzulehnen. Walther tröstete sich damit, dass Bamberg nicht gar zu weit von Ebrach entfernt lag, nur eine halbe Tagesreise. Für ein paar Stunden ließ sich Botho gewiss aushalten. Was auch immer er über Judith dachte, es stand nicht zu erwarten, dass er ihretwegen einen Streit mit drei Männern begann.
    In der Tat benahm sich Botho am nächsten Morgen zunächst ausgesprochen höflich. Er sprach kaum, und als er doch begann, geschah es, um über die Wege zu schimpfen und die Hoffnung auszudrücken, dass die Bischöfe von Bamberg und Würzburg Gelegenheit haben würden, sie besser befestigen zu lassen, wenn der Krieg erst vorbei wäre. »Zu Pferd mag dieser Weg ja angehen, doch mit Wägen ist er die reine Hölle, das kann ich beschwören!«
    Gilles steuerte eine Geschichte über die alten Wege der Römer im Königreich Sizilien und die Pässe in den Alpen bei, und wie er dort einmal einen Tross mit Weinfässern eskortieren musste. Bald lachten sie alle, obwohl Gilles schwor, dass es eine bitterernste Angelegenheit gewesen sei: »Jedes Mal, wenn ein Fass wegen all der Schlaglöcher undicht wurde, sahen wir es als unsere Pflicht an, dafür zu sorgen, dass der gute Wein nicht im Boden versickerte!« Dann lachte auch er. »Ach, noch einmal so ein Abenteuer erleben …«
    Nahe des Weges, den sie nahmen, lagen Wälder voller Buchen, deren Laub sich bereits ins Rötliche verfärbte. Ein leichter Wind kam auf und wehte Walther ein paar Blätter ins Gesicht. »Ungehaltene Zuhörer, Herr Walther?«, meinte Botho spöttisch.
    »Nein, Blumen«, gab Walther zurück. Aus dem Augenwinkel sah er, dass Judith lächelte. Inzwischen hatte sich die Sorge, Jutta könne ihre Drohung ernst machen, gelegt. Zum Teufel auch, er hatte wirklich Grund, glücklich zu sein: Es war ein wunderschöner Herbsttag, die Landschaft schien sich ein Festkleid aus Grün, Gelb und erstem Rot übergeworfen zu haben, und Judith ritt an seiner Seite. Nun, fast an seiner Seite, doch Walther musste zugeben, dass ihn Gilles eigentlich nicht mehr störte. Jetzt, da er sie in den Armen gehalten hatte, fiel es leicht, die Vorzüge des Mannes einzugestehen. Gilles war ein netter Kerl, der eine üble Erfahrung durchgemacht hatte und trotzdem dem Leben noch ein Lächeln abgewinnen konnte. Außerdem war er Judith ein Freund, ohne den ihr in Chinon oder Köln wahrlich Übles hätte geschehen können, und er hatte nie versucht, Walther von ihr fernzuhalten, eher das Gegenteil. Wenn Walther an den Abend bei Judiths Familie in Köln dachte, dann hatte Gilles sogar den guten Geschmack bewiesen, seine Lieder zu schätzen. Allein das musste man würdigen.
    Walther erzählte gerade, wie er in den Bergen aus gerade noch sicherer Entfernung eine Lawine erlebt hatte, als Botho ihn unterbrach und bedeutungsvoll meinte, die Pässe über die Alpen hören sich fürwahr gefährlich an. »Mag sein, dass ich mich irre«, fuhr er fort, »doch es ist immerhin möglich, dass sich Seine Gnaden, unser Herr

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