Das Spiel der Nachtigall
seit ihrer letzten Begegnung bereits geklatscht haben.
»Es tut mir leid«, sagte Walther, doch da es im Grunde eine Lüge war und er nicht daran gewöhnt, Menschen zu belügen, die er gernehatte und welche Besseres verdienten, sagte er es nicht sehr gut.
»Nein, mir tut es leid«, entgegnete Jutta kalt. »Mir tut es leid, da mein Vater beabsichtigt, einen Wettstreit der besten Sänger im Reich zu veranstalten, und ich ihn beschworen habe, Euch dazu einzuladen. Mir tut es leid, dass ich ihm gesagt habe, er müsse Euch für seinen Hof gewinnen. Und es tut mir mehr als leid, dass ich mich dazu herabgelassen habe, einem unwürdigen Gecken wie Euch auch nur eine Stunde meiner kostbaren Zeit zu widmen!«
Vielleicht war es am besten, noch einmal eine Verbeugung zu machen und zu verschwinden, aber er wollte sie nicht so zurücklassen. »Es waren sehr schöne Stunden«, sagte Walther, »an die ich immer gerne denken werde.«
Sie rümpfte die Nase, doch sie sprach nicht.
»Ich habe mich verliebt«, sagte er einfach.
»So kann man es auch nennen, wenn ein Bock eine neue Ziege wittert«, gab sie bissig zurück.
»Der Magistra bin ich schon vor vielen Jahren begegnet. Es gab … Missverständnisse zwischen uns.«
Kaum war der Satz heraus, da wusste Walther, dass es ein Fehler war. Er hatte Jutta beschwichtigen wollen, indem er klarmachte, dass er nicht einfach der nächstbesten Frau nachstellte, doch was sie hörte, war, dass er bereits Gefühle für Judith gehabt hatte, als er Juttas Geliebter gewesen war. Das Gesicht der Markgräfin verzog sich, ihre Lippen zitterten. Einen schrecklichen Moment lang befürchtete er, sie würde anfangen, zu weinen. Dann wurde ihre Miene wieder hart.
»Ihr scheint Frauen sehr häufig misszuverstehen, Herr Walther. Vielleicht wäre dem weiblichen Geschlecht besser gedient, wenn Ihr das Schicksal Abaelards erleidet.«
Die Kastration des großen Abaelard lag nur ein Menschenleben zurück. Er war einer der berühmtesten Köpfe des Abendlandes gewesen, dessen Werke nicht nur in Frankreich, sondern überall gelesen wurden, und dennoch hatte jemand den Befehl geben können, ihn zu verstümmeln. Es wäre für jemanden wie Jutta von Thüringen, Markgräfin von Meißen, mehr als leicht, einen fahrenden Sänger kastrieren zu lassen. Vielleicht hatte sie ihre Worte nicht so gemeint, sondern einfach nur als Ausdruck ihres Ärgers gesprochen. Doch jemand in ihrer Stellung konnte jemandem in seiner ohne weiteres so drohen und es auch ernst meinen. Blutig ernst.
Ihre Mundwinkel krümmten sich; er wusste, dass sie seine Gedanken und den jähen Anflug von Angst von seiner Miene abgelesen hatte. Es gab wohl nichts mehr zu sagen.
»Euer Gnaden«, sagte er, verbeugte sich und ging.
Judith war dabei, den Haushofmeister des Bischofs auf so freundliche Weise wie möglich um die Bezahlung ihrer Dienste zu bitten, als Walther sie fand und beiseitezog.
»Wir müssen heute noch abreisen«, sagte er zu ihr und erklärte hastig, warum. Judith war gleichzeitig bestürzt und auf unangemessene Weise belustigt, vor allem, weil sie nicht glauben wollte, dass die Markgräfin eine solche Drohung ernst gemeint haben konnte. »Sie hat recht, weißt du? Du verstehst Frauen wirklich nicht besonders gut.«
»Und du verstehst Männer nicht im Geringsten, wenn du meinst, dass ich meine Männlichkeit aufs Spiel setze, im Vertrauen darauf, dass sie scherzt!«
»Ich könnte versuchen, mit ihr zu sprechen …«
»Judith«, sagte Walther nachdrücklich, »du und ich haben überhaupt nichts zu gewinnen und alles zu verlieren, wenn du noch ein Wort mit einer Frau wechselst, die weit über uns steht und dich nur zu beschuldigen braucht, sie vergiften zu wollen, damit man dich aufhängt oder einen Kopf kürzer macht. Wir müssen hier fort!«
»Ich dachte, es geht um deine Hoden, nicht um meinen Hals«, scherzte Judith, doch dann sah sie seine Miene und gab nach. »Gut. Wir reisen noch heute. Ich werde Gilles Bescheid geben.«
Walther konnte noch nicht einmal sagen, dass er unglücklich darüber war, denn zwei Männer wie Gilles und Markwart waren besser als keiner, nur für den Fall, dass Jutta ärgerlich genug war, um ihm ein paar Leute hinterherzuschicken. Flüchtig fragte er sich, welche Erklärung Judith ihrem Gemahl wohl für die Eile gab, und entschied dann, dass er es eigentlich nicht wissen wollte, weil es sich vermutlich um die Wahrheit handelte.
Markwart bestand allerdings darauf, die Angelegenheit aus einem völlig
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