Das Spiel der Nachtigall
die für den vierten Oktober angesetzt war. Ottos Heer lagerte auf dem Monte Mario vor Rom; die riesige Ansammlung an Zelten, Pferden und Männern war weithin sichtbar. Diepold war selbst mit einer nicht gerade kleinen Truppe erschienen, schließlich wollte er bei Otto den Eindruck erwecken, ein wichtiger Verbündeter zu sein. Das machte es jedoch nötig, Boten zu schicken, um sich wegen der Unterbringung zu verständigen, noch ehe er sein Anliegen vorbringen konnte. Zum Glück stellte sich heraus, dass Heinz von Kalden immer noch Reichshofmarschall war, und den kannte er aus den Zeiten unter Kaiser Heinrich. Sie waren weder Freund noch Feind, hatten nie den Fehler gemacht, einander zu unterschätzen. Da keiner von ihnen auf glanzvolle Vorfahren zurückblicken konnte, mussten sie einander auch nicht ihren eignen Aufstieg vorwerfen. Ja, mit Heinz von Kalden ließ sich verhandeln.
»Ihr könnt natürlich gerne an der Krönung teilnehmen.«
»Das will ich doch meinen, nach meiner Reise hierher. Aber was ist mit dem Empfang beim Kaiser?«
»Nach der Krönung«, sagte Heinz von Kalden. »Wie ergeht es denn dem jungen König auf Sizilien?«
Schweinspeunts Blick musste für sich gesprochen haben. Unverständlicherweise veranlasste das Heinz von Kalden zu einem Grinsen. »Ist der Sohn seines Vaters, wie?«
»Wenn es sein Vater war«, sagte Schweinspeunt giftig. Heinz von Kalden schürzte die Lippen.
»Die Kaiserin Konstanze war eine ehrliche Feindin. Sie hat den Kaiser gehasst, aber sie hätte ihn nicht betrogen.«
»Alle Frauen sind Dirnen in ihrem Herzen. Das solltet Ihr in Eurem Alter wirklich wissen. Oder seid Ihr inzwischen so alt, dass Ihr in Weibern nur noch Töchter sehen könnt?«
»Wie ich sehe, haben Euch die vergangenen Jahre nicht verändert«, sagte Heinz von Kalden und wies Schweinspeunt an, sich während der Krönung hinter ihm zu halten, dann werde er nach den Zeremonien den Kaiser auf ihn aufmerksam machen.
Vielleicht lag es daran, dass Diepold von Schweinspeunt ungeduldig war, aber für ihn zog sich die Krönung endlos hin. Eine Meile vor der Stadt leistete der Kaiser den Römereid, die Gepflogenheiten der Stadt zu achten; das hätte man sich Schweinspeunts Meinung nach sparen können, war es doch Jahrhunderte her, seit ein Kaiser des Heiligen Römischen Reiches hier residiert hatte. Der Stadtpräfekt, dem Otto diesen Eid leistete, schritt von da an mit blankem Schwert vor ihm her. Otto trug eine grüne Tunika und einen roten Mantel, was ihn von weit her erkennbar machte. Nachdem er die Porta Collina erreicht hatte, begann sein Kämmerer, Silber in die Menge zu werfen. Schweinspeunt musste seine Knechte zurückhalten, damit sie sich nicht an dem allgemeinen Gerangel beteiligten. Man hätte meinen können, er bezahle sie nicht genügend.
Auf dem Platz vor dem Petersdom empfingen die römischen Senatoren den Kaiser, der vom Pferd abstieg und es ihnen der Zeremonie gemäß zum Geschenk machte. Schweinspeunt argwöhnte, der Senat existierte nur noch für solche Anlässe. Wozu sollte er sonst nützlich sein? Die wahre Herrschaft über Rom lag bei den Pfaffen.
Auf den Stufen des Doms erwartete den Kaiser der Papst mit Kardinälen und einem Chor. Innozenz war zwei Jahre jünger als Schweinspeunt, hager und klein, aber er musste zugeben, dass die Willenskraft, die von ihm ausging, selbst aus der Entfernung zu erkennen war. Otto musste vor ihm niederknien und ihm die Füße küssen, ehe der Papst ihn aufhob, auf beide Wangen küsste und umarmte. An der Zeremonie in der Kapelle Santa Mariae in Turri, bei welcher der Kaiser neu eingekleidet wurde, durfte Schweinspeunt nicht teilnehmen, doch als er Otto in einem weißen Gewand mit rotbesticktem Kreuz vor die Kirche treten sah, hatte er ein ungutes Gefühl. Ein rotbesticktes Kreuz bedeutete eigentlich ein Kreuzzugsgelübde. Das würde ganz und gar nicht passen – er brauchte Otto hier, bei den Welschen, nicht im Heiligen Land bei den Sarazenen!
An der silbernen Pforte sprach ein Kardinal ein Gebet über Otto. Anschließend schritt der Kaiser bis zur Mitte des Doms. Zu diesem Zeitpunkt war es Schweinspeunt gelungen, sich weit genug vorzudrängen, um sehen zu können, wie Otto gesalbt wurde; auf seinen rechten Unterarm und den Rücken wurde mit geweihtem Öl ein Kreuz gestrichen. Damit hätte doch eigentlich alles vorbei sein sollen, aber nein, jetzt begann der Papst mit der Messe, und dann dauerte es noch einmal eine Ewigkeit, bis er Otto die Kaiserkrone
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