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Das Spiel der Nachtigall

Das Spiel der Nachtigall

Titel: Das Spiel der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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kämpfen zu können, jeden Edelmann, der seinen Verstand beisammenhatte, auf die Seite Ottos treiben würde, aber er war bereit, zuzugestehen, dass es noch schneller gehen würde, wenn man schon im Vorfeld die richtige Saat verteilte. »Lasst Euch nicht aufhalten, Herr Walther. Das wäre ein guter Gedanke.«
    »Nur ist die Welt eben hart, Herr Diepold, und eine Zeit möglicher Missgunst beim Kaiser, wenn ich mich für Euch einsetze, noch härter. Etwas Silber aus Eurer edlen Hand käme da höchst gelegen …«
    Jetzt endlich schlussfolgerte er, worauf der Sänger mit seinem Herumgerede die ganze Zeit hinauswollte. Er hätte es sich wirklich denken können. In dieser Welt gab es nun einmal nichts umsonst. Nun, seine Ländereien hatten immer fette Ernte abgeworfen, und da er nun sicherstellen würde, dass dies auf immer so bleiben würde, gab es keinen Grund, zu sparen. Er drückte dem Sänger genügend Silber in die Hand, um ein halbes Jahr gut davon zu leben. Walther dankte ihm gebührend beeindruckt. Dann lieferte er, für die versammelten Edlen und den Papst, was er versprochen hatte.
Noch mag, Herr Papst, ich wohl gedeihn
Da ich Euch will gehorsam sein.
Wir hörten Euch der Christenheit gebieten,
Zu sein dem Kaiser untertan,
Da Segen er von Euch empfang
Dass wir ihn hießen Herr und vor ihm knieten.
Auch sollt Ihr nicht vergessen:
Ihr spracht: »Wer dich segnet, sei gesegnet,
wer dir flucht, der sei verflucht.«
Wollt Ihr an Fluchen nun die Taten messen.
Bei Gott, bedenket dann dabei,
dass mancher noch nach Pfaffen Ehr’ und Ansehn sucht!
    Schweinspeunt konnte sich an wesentlich bösere Lieder über den Papst erinnern, aber er musste zugeben, dass dieses den Vorteil hatte, mit Sicherheit Misstrauen zwischen Papst und Kaiser zu säen. Der Papst, dem die Übersetzung von Walthers Worten ins Ohr geraunt wurde, fragte sich gewiss, wie Otto zulassen konnte, dass sich ein einfacher Dichter bei einem Festmahl erdreistete, dem Heiligen Vater Verhaltensmaßregeln zu erteilen, und konnte doch nicht behaupten, dass Walther etwas Ungebührliches gesungen hätte. Als die Übersetzung beendet war, runzelte er die Stirn, sagte etwas zu Otto und erhob sich.
    Diepold von Schweinspeunt beglückwünschte sich selbst. Nun war der Weg frei! Dass der Kaiser keine Anstalten machte, den Papst aufzuhalten, nahm er als gutes Omen. Es gelang ihm, sich in Ottos Nähe zu schieben. »Mein Kaiser, ich bin beglückt, Euch endlich vor meinen eigenen Augen zu sehen! Diepold von Schweinspeunt, Graf von Acerra, wirft sich Euch zu Füßen!«
    Otto runzelte die Stirn. Dann klärte sich sein Gesicht auf. »Seid Ihr nicht einer von unseren Statthaltern in Sizilien?«
    Erhob Otto damit nicht deutlich seinen Anspruch auf das Königreich Sizilien? Am Ende muss er gar nicht groß überredet werden, dachte Schweinspeunt, da hätte ich mir die Ausgaben für den Sänger sparen können. »So ist es, Euer Gnaden.«
    »Mein Freund«, sagte Otto mit einem Lächeln, »Wir sind sehr erfreut, Euch an Unserer Seite zu finden.«
    * * *
    Man wusste in Speyer, wann die Krönung stattfand. Ihre Schwestern machten sich ein Vergnügen daraus, Beatrix damit zu necken, sie »Kaiserin«, »Imperatrix« und »Höchst Erhabene« zu nennen und zu fragen, ob sie die Krone tragen würde, die für ihre Großmutter, die Gemahlin des Kaisers Rotbart, angefertigt worden war. »Wirst du ihr nacheifern?«, fragte Kunigunde.
    »Nein«, entgegnete Beatrix, ohne zu lächeln. »Ich werde der Kaiserin Theophanu nacheifern. Sie kam aus Byzanz, so wie unsere Mutter, und sie hat das Reich regiert. Sie und die Kaiserin Adelheid.«
    Beides waren auch Kaiserinnen, die früh Witwen geworden waren, aber Judith glaubte nicht, dass die Mädchen diese Bedeutung erfassten. Sie war sich nicht einmal sicher, ob Beatrix es so meinte. Sie hatte ihr nichts über die Nacht mit Otto erzählt, und wenn sie etwas bemerkt hatte, obwohl sich Judith bemüht hatte, still zu bleiben, niemals vor Schmerzen zu schreien, dann sprach sie nicht davon. Aber es entging Judith nicht, dass Beatrix vor ihrer Ankunft in Würzburg bereit gewesen war, das Beste aus ihrer Ehe zu machen, während sie nach der Abreise von Würzburg Gesänge über die heldenhaften Taten ihres Gemahls nicht mehr hören wollte.
    Mit sehr viel Glück, dachte Judith, wird Beatrix gar nicht erst in die Verlegenheit kommen, Witwe zu werden. Otto hatte recht: Solange eine Ehe nicht vollzogen war, so lange konnte sie ohne weiteres für ungültig erklärt

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