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Das Spiel der Nachtigall

Das Spiel der Nachtigall

Titel: Das Spiel der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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das nicht erwartet.«
    »Der Papst«, entgegnete Walther, ohne lügen oder seine Abneigung heucheln zu müssen, »hat in der Welt stets nur einen Mächtigen sehen wollen, und das ist er selbst.«
    »Wohl wahr, wohl wahr. Ich muss zugeben, Eure Papstlieder waren schon immer sehr … eingängig, aber früher konnte ich natürlich nicht dulden, dass dergleichen in meiner Umgebung gesungen wurde, nicht solange die Kirche noch vorgab, mich zu unterstützen. Hört, Herr Walther, wie wäre es, wenn Ihr noch ein paar neue Lieder über die Ungerechtigkeit des Papstes verfasst und diese im Reich vortragt? Es mag noch ein paar arme Seelen geben, die Seine Heiligkeit nicht durchschaut haben und mich nun für einen Wortbrüchigen halten.«
    Walther musterte Otto, der in seinem Harnisch, die Hände auf die Hüften gestemmt, das Inbild eines erfolgreichen Kriegerkönigs abgab, doch alles, woran er denken konnte, waren die Flecken auf Judiths Haut an jenem Morgen, die von diesen Händen verursacht worden waren.
    »Es wird mir eine Freude sein, mein Kaiser. Aber ich bin nur ein armer Sänger. Durch das gesamte Reich zu reisen, ist nun einmal eine kostspielige Angelegenheit.«
    »Gewiss werden Euch die Fürsten doch mit Freude Gastfreundschaft an ihren Höfen gewähren«, gab Otto zurück, was immerhin bewies, dass er, nach den Jahren der Geldknappheit, auch als Kaiser noch rechnen konnte.
    »Gastfreundschaft vielleicht, doch kein Geld für die Weiterreise. Außerdem möchte ich das Lob Euer Gnaden und die Wahrheit über den Machthunger des Heiligen Vaters auch in den freien Reichsstädten und in allen Schenken singen, in denen ich einkehren kann«, gab Walther betont ehrerbietig zurück. »Wäre es nicht eine Schande, wenn die Leute mich dann fragen würden, warum ich selbst so ärmlich und abgerissen wirke, wenn Herr Otto ein so milder und freigiebiger Herr ist?«
    Am Ende gab Otto genügend, um Walther das nächste Jahr zu sichern. Der Kaiser fragte auch nicht, was Walther nach seiner Krönung im Süden getrieben habe. Ihm fehlte die Neugier auf Menschen, wenn sie ihm nicht unmittelbar von Nutzen waren oder schadeten.
    Allerdings stellte sich heraus, dass Otto doch etwas Zeit darauf verwendet hatte, Überlegungen zu Walther anzustellen. »Ihr werdet mich also mit all Eurer Beredsamkeit besingen, mich und die Gerechtigkeit meiner Sache, nicht wahr, Herr Walther?«
    »Ihr werdet meine Muse sein, Euer Gnaden.«
    »Da bin ich ja in höchst angenehmer Gesellschaft«, sagte Otto gedehnt, und dann lachte er, das wissende, satte Lachen eines Mannes am Morgen danach. » Höchst angenehmer.« Er ließ Walther nicht aus den Augen, während er sich mit der Zunge über die Lippen fuhr.
    Otto konnte nicht wissen, dass Walther ihn in Würzburg aus dem Vorzimmer hatte treten sehen, aber er rechnete offensichtlich damit, dass Walther auf die eine oder andere Weise von dem Vorkommnis erfahren hatte. Obwohl er derzeit Walthers Dienste benötigte, war es ihm trotzdem ein Bedürfnis, ihm auf die älteste und gröbste Art zu demütigen, die es unter Männern gab: Ich habe deine Frau gehabt, und sie hatte Spaß daran.
    Walther ballte die Fäuste; Ottos Lächeln vertiefte sich. Gut so – genau das hatte Walther bezwecken wollen, denn sonst hätte sich der Kaiser wohl doch gefragt, was Walther vor ihm verbarg. Er wäre misstrauisch geworden, hätte sich nicht als Sieger gefühlt, wie jetzt.
    »Mein Onkel Richard und meine Großmutter hatten immer viele Troubadoure um sich, als ich an ihren Höfen aufwuchs«, sagte Otto. »Da lernte ich Troubadoure schätzen, und ihre Lieder. Aber wisst Ihr, was ich an ihnen am meisten schätze? Dass man ihren Preis bestimmen kann, ganz wie bei Dirnen. Für Geld tun sie alles. Gehabt Euch wohl, Herr Walther.«
    Wir werden deiner Herrschaft ein Ende setzen, dachte Walther, sie und ich. Doch das half nicht gegen den ohnmächtigen Hass, der ihn in diesem Moment schüttelte.
    * * *
    Beschützer der Kaiserin auf ihrer Reise durch das Reich zu sein, war genau die Art von Ehre, die Dietrich von Meißen zu schätzen wusste. Zunächst einmal machte es den Umstand wett, dass Otto ihn nicht aufgefordert hatte, sich am Feldzug gen Süden zu beteiligen, selbst jetzt nicht, wo der Kaiser mehr und mehr Verstärkung über die Alpen rief. Man müsste meinen, ein so kampfeserprobter, wackerer Mann wie Dietrich von Meißen wäre dabei der Richtige. Man hätte fast meinen mögen, der Kaiser traue ihm nicht. Doch nun war alles klar und

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