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Das Spiel der Nachtigall

Das Spiel der Nachtigall

Titel: Das Spiel der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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über denen der Himmel eingestürzt ist, weil Ihr neugierig wart?«, antwortete Walther. »Ich frage aus bloßem Eigennutz, denn am Ende wäre ich einer von ihnen, dann würde mir das schönste Spektakel eines eingestürzten Himmels nichts mehr nützen.«
    »Die Araber«, sagte Friedrich, erneut sachlich geworden, »rechnen nicht mit den gleichen Zahlen, wie wir sie von den Römern übernommen haben. Sie haben eine Zahl, Null genannt, und die Null ist nichts und gleichzeitig alles. Ohne sie stürzt die gesamte arabische Mathematik zusammen. Das, Herr Nachtigall, ist Gerechtigkeit. Justitia, die dem Staat sein Dasein verschafft, nicht umgekehrt; der König ist lex animata in terris, das beseelte, das lebende Gesetz, oder er ist nichts, nur vielleicht etwas erfolgreicher im Rauben als die anderen Räuber. Und nun verratet mir, was für eine Wahl habe ich?«
    Als er den Mund öffnete, wusste Walther, dass er seine Entscheidung gefällt hatte. »Die, welche Ihr immer hattet. Ihr seid nicht nur König von Sizilien. Ich war selbst dabei, als eine Versammlung der mächtigsten deutschen Fürsten Euch in Frankfurt zum König der Deutschen wählte, und diese Wahl kam vor der Eures Onkels und der Wahl Kaiser Ottos. Er kann nicht Kaiser sein, wenn er nicht auch rechtmäßig König der Deutschen ist. Stellt er Euren Anspruch auf Sizilien in Frage, dann wäre es wohl an der Zeit, ihn an jene ältere Wahl zu erinnern. Ihn und Euren alten Vormund, den Papst.«

Kapitel 44
    D ass der Kaiser nach seiner Krönung im Oktober nicht sofort wieder zurückgekehrt, sondern in Italien geblieben war, überraschte niemanden, am allerwenigsten seinen Kanzler, den Bischof von Speyer. Mit der Überwinterung aller Fürsten und des begleitenden Heeres südlich der Alpen hatte auch jedermann gerechnet. Als aber der Kaiser klarmachte, dass er nicht die Absicht hatte, überhaupt in den Norden zurückzukehren, ehe er sich nicht das gesamte staufische Erbe, das ihm nunmehr zustehe, wieder ins Reich geholt habe, war das doch etwas, von dem der Kanzler vor Beatrix und ihrem Hofstaat so tat, als käme es überraschend für ihn.
    »Es geschieht, um Euer Erbe zu wahren«, sagte er zu Beatrix und klang selbst nicht überzeugt.
    »Aber hat er nicht dem Heiligen Vater geschworen, dass er niemals Ansprüche auf das Königreich Sizilien erheben würde?«
    »Deswegen sind der Kaiser und der Heilige Vater sich … nun ja, derzeit uneins«, gab der Kanzler lahm zurück.
    Im Februar drangen beunruhigende Gerüchte nach Norden, und Anfang März, als Boten aus Rom mit dem Auftrag erschienen, es von den Kanzeln aller Kirchen zu verkünden, ließ es sich nicht länger leugnen: Der Papst hatte Otto exkommuniziert, was auch alle seine Untertanen von der Gehorsamspflicht ihm gegenüber entband.
    »Das wird sich schon wieder richten«, sagte der Kanzler fürsorglich zu Beatrix. »Fügt nur Euren Gemahl recht häufig in Euer Gebet ein. Schließlich hat Euer Vater, Gott habe ihn selig, Jahre im Bann überstanden, ohne seine Anhänger zu verlieren.«
    »Aber ich würde gerne mehr tun, als zu beten«, sagte Beatrix unschuldig. »Wenn ein König seine Herrschaft antritt, macht er einen Königsritt durch sein Reich. Nun, ich war in Trauer, als mein Gemahl das tat, aber jetzt bin ich es nicht mehr. Ich könnte nun für ihn einen Kaiserinnenritt zu allen wichtigen Fürsten unternehmen. Das würde sie an ihre Treue zu meinem lieben Gemahl erinnern, und daran, dass Welfen und Staufer dieser Tage eins sind.«
    »Hat Euch jemand dazu geraten, Euer Gnaden?«, fragte der Bischof misstrauisch. Die Magistra hatte es getan, doch davon verriet Beatrix kein Wort. Stattdessen sagte sie gekränkt: »Herr Kanzler, ich bin nun eine verheiratete Frau. Mein Vetter Friedrich war nur ein Jahr älter, als ich es in ein paar Monaten sein werde, als er für mündig erklärt wurde. Mein Leben lang hat man mich dazu erzogen, meinem Gemahl zur Seite zu stehen. Da kann ich mir solche Dinge wirklich selbst einfallen lassen!« Ihre Stimme war zunehmend lauter geworden, und der Bischof zuckte zusammen. Beatrix war schon vor einiger Zeit aufgefallen, dass er zu den Männern gehörte, denen laute Frauen unangenehm waren, und sie war entschlossen, das auszunutzen.
    »Nun, der Gedanke ist kein schlechter, Euer Gnaden«, sagte er hastig, »doch wer soll Euch durch das Land geleiten? Der Pfalzgraf von Braunschweig teilt sich mit mir in der Abwesenheit des Kaisers die Regierung des Landes, und ein anderer Edelmann als

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