Das Spiel der Nachtigall
denn sie hatte immer noch schlechte Träume und manchmal, wenn sie nachts wach lag, Angstzustände. Aber er hatte nicht gefragt.
Vielleicht war es am besten so. Jutta von Meißen als Verbündete zu haben war zu wichtig. Ganz gleich, was die Markgräfin nun für Walther empfand, Lust, Freundschaft oder mehr, es würde ihr bestimmt keine Freude bereiten, wenn sich Walther nächtens mit einer anderen vergnügte. Ja, es ist nichts als vernünftig und klug, sagte sich Judith, aber ein törichter Teil ihres Herzens fürchtete, dass Walther aus einem ganz anderen Grund nicht fragte – weil er nun doch Ekel vor ihr empfand und sie nicht mehr wollte. Der Gedanke kam immer wieder. Um derartige Überlegungen zu vertreiben, stürzte sie sich umso mehr in ihre Bemühungen, so viele Frauen wie möglich von Ottos Unzuverlässigkeit und Gier zu überzeugen und daran zu erinnern, dass es noch einen anderen König gab. Das Ehebett war ein Ort, an dem kaum ein Mann gegen Einflüsterungen gefeit war, und Frauen diejenigen, bei denen sich vorher nie ein Fürst die Mühe gemacht hatte, sie für sich zu gewinnen.
Aber so erfolgreich ihre Reise auch verlief, Judith wusste, dass noch mehr nötig war, um Ottos Herrschaft ernsthaft zu bedrohen, vor allem, da die Nachrichten aus Italien alles andere als gut waren: Otto hatte inzwischen fast das gesamte Festland erobert. Die aragonesischen Ritter, die Friedrichs einzige Streitmacht darstellten, waren fast alle an der Seuche gestorben. Und ganz gleich, wie fruchtbar der sizilianische Boden war, Getreide und Obstlieferungen genügten nicht, um Fürsten, die reiche Gaben von Philipp und Otto gewohnt waren, zu bewegen, Otto offen in Frage zu stellen.
»Zwei Dinge brauchen wir noch«, sagte sie zu Walther, als sie mit ihm beisammensaß und er die Seiten seiner Laute neu spannte. »Geld und ein Wunder.«
»Für Wunder ist die Kirche zuständig«, sagte er. »Nicht, dass ich es nicht genieße, dieser Tage vom Kaiser dafür bezahlt zu werden, den Papst zu beleidigen, aber man möchte meinen, dass er inzwischen stark genug unter Otto leidet, um selbst einen Staufer wieder als Ausweg in Kauf zu nehmen.«
»Aber was gewönne er dabei? Er will doch verhindern, was jetzt eingetreten ist, sich selbst und das Patrimonium Petri eingeklemmt zu sehen zwischen dem Reich und Sizilien. Ob nun Otto oder ein anderer beides regiert, der Papst verliert immer, solange ein Mann beides besitzt.«
»Ich nehme an, das schließt auch Geld von Seiten der Kirche aus. Zu schade. Sonst bekämen wir tatsächlich etwas von dem wieder, was wir in die Opferstöcke taten.« Walther zog eine Grimasse und erprobte eine der neugespannten Saiten. Dann sagte er: »Wie steht es denn mit dem französischen König? Soweit ich weiß, hat er Philipp ein paarmal ausgeholfen, weil er nicht Richards Neffen als mächtigen Nachbarn wollte.«
»Ich kenne niemanden mit Verbindungen an den französischen Hof, und ich kann Beatrix unmöglich empfehlen, einen Staatsbesuch zu machen. Wir kämen kaum aus Hagenaus heraus, ehe der Bischof von Speyer davon hörte und ihr einen Trupp hinterherschickte.«
»Du kennst deinen Onkel«, sagte Walther plötzlich. »Ganz gleich, wie innig er mit den Engländern ist, es sollte mich wundern, wenn er nicht auch Verbindungen nach Paris hat.«
Dessen war sich Judith ebenfalls sicher, aber ihr Onkel war immer noch ein zu empfindliches Thema für sie, um darüber zu scherzen. Bei der kleinen Gruppe aus Köln, die Beatrix zu Beginn ihrer Rundreise die Aufwartung gemacht hatte, war er nicht dabei gewesen, aber er hatte Paul geschickt. Dieser war noch verdrossen, weil Judith ihn in Schwerin bei einem zornigen Otto zurückgelassen hatte. Gemessen daran, was ihr selbst später geschehen war, konnte sie sich bei seinen Vorwürfen nicht beherrschen, und die Begegnung hatte zu einem Streit geführt, bei dem er so weit gegangen war, sie zu fragen, ob Gilles’ Tod in Bamberg geplant gewesen sei, was jegliche Rücksichtnahme auf ihren Vetter in ihr beendet hatte.
»Wir sollten die Markgräfin fragen«, meinte Walther lächelnd. »Ist ihr Vater nicht am französischen Hof aufgewachsen?«
»Du hast recht, aber warum lächelst du?«, fragte Judith.
»Ich hätte nie gedacht, dass ich eines Tages dich und Jutta von Meißen miteinander Pläne schmieden sehen würde. Der Himmel helfe der Menschheit, wenn das Schule macht.«
»Der Himmel helfe euch Männern, meinst du wohl«, gab sie zurück, mit gerade genug Biss, um daraus
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