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Das Spiel der Nachtigall

Das Spiel der Nachtigall

Titel: Das Spiel der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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sich, als er sie in Gesellschaft einer Frau statt Walthers sah. Sie stellte Lucia und den kleinen Giovanni vor und hörte von Stefan, dass sein Geschäft mit dem Bischof von Passau bereits erledigt sei.
    »Allerdings werde ich nun nach Köln zurückkehren müssen«, fügte er hinzu, räusperte sich und fuhr fort: »Es ist mir bewusst, dass ich für dich ein Unbekannter bin, doch du bist die Tochter meiner Schwester, und wenn ich dich vorhin recht verstanden habe, weilt dein Vater nicht mehr unter den Lebenden. Vermählt bist du auch nicht. Kurzum, es wäre mir eine Freude, dich in meinem Haushalt in Köln aufzunehmen.«
    Es rührte sie, denn er wusste nichts von ihr, als dass ihr Vater ihn für unwürdig befunden hatte, sein Haus zu betreten. Stefan musste ihre Mutter wirklich sehr geliebt haben. Vielleicht, dachte Judith, während er ihr ein hoffnungsvolles Lächeln schenkte, sind er und seine Familie einsam? Für die jüdische Gemeinde von Köln waren sie Abtrünnige. Ob die Christen, mit denen er geschäftlich zu tun hatte, ihn wirklich als Freund betrachteten und ihn ohne sein Geld in ihrer Gemeinschaft aufgenommen hätten, war dahingestellt. Vielleicht konnte es keine Freundschaft zwischen Juden und Christen geben? Judith ertappte sich dabei, wie sie mit dem Handrücken über ihre Lippen fuhr. Es musste sie geben zwischen Menschen und Menschen, egal zu welchem Gott sie beteten.
    »Verzeih«, erwiderte sie, »es überrascht mich nur so sehr …«
    »Du hast auch gesagt, dass du nicht weißt, ob du die Magistra der Byzantinerin sein möchtest«, sagte Stefan leise. Lucia, die inzwischen wohl so viel Deutsch verstand wie Irene, warf ihr einen überraschten Blick zu.
    Eigentlich war sein Angebot ein Gottesgeschenk: Hatte sie sich nicht schon seit Wochen gewünscht, wieder Patienten zu haben, wirkliche Patienten, nicht nur ein einsames adliges Mädchen, dem im Grunde nichts fehlte? War der Bischof heute Morgen nicht ein warnendes Beispiel dafür gewesen, wie ihr Leben sein würde, wenn sie weiter in dieser Umgebung blieb, ein ständiges Spiel von Angst und Verstellung? Außerdem wusste sie genau, was sie absolut nicht wollte, und das war, Walther von der Vogelweide noch einmal wiederzusehen.
    »Das ist wahr«, gab Judith zurück. »Aber ich bin eine Magistra und will nichts anderes sein. Wenn ich in deinem Haus lebe, Onkel, dann nur als Ärztin.« Dies klarzustellen, war wichtig, denn Vetter Salomon hätte ihr gewiss verboten, mehr als die aufgeschlagenen Kinderknie des Haushalts zu versorgen. Außerdem musste sie noch etwas anderes zurechtrücken. »Es ist außerdem so, dass ich nicht dem christlichen Glauben angehöre, und ich will die Taufe auch nicht empfangen.«
    Er schaute sie erstaunt an. Lucia gab einen kleinen Laut von sich, ein kurzes Ächzen; als sich Judith zu ihr umdrehte, sah sie, dass ihre Augen geweitet waren und ihre Lippen bebten.
    »Ich werde dich auf jeden Fall mitnehmen«, sagte sie beruhigend in der Volgare, »wohin ich auch gehe, ich habe es versprochen.«
    »Aber wo kann es uns bessergehen als bei einer Fürstin, wo?«, fragte Lucia bestürzt. »Wenn sie ein Kind bekommt von ihrem Herzog, dann kann mein Giovanni sein Leibdiener werden! Bitte, Magistra, wir müssen hier bleiben!«
    Aus Lucias Sichtweise klang es so überaus vernünftig und einfach. Etwas über die Langweile als Leibärztin zu sagen, wäre herzlos gewesen, wenn es um Lucias tägliches Brot ging.
    »Es wird uns auch in Köln nicht schlecht ergehen«, sagte Judith beschwichtigend. »Mein Vater war ein sehr geachteter Arzt dort, und gewiss werde ich bald ebenfalls einen guten Ruf haben.« So einfach würde es nicht werden, schon gar nicht, wenn sie im Haushalt eines Abtrünnigen lebte, doch solche Kleinigkeiten brauchte Lucia nicht zu wissen. Wichtig und richtig war, dass sie nicht befürchten musste, zu darben.
    »Es gibt nichts Besseres, als einer reichen Fürstin zu dienen«, beharrte Lucia störrisch, und wie um ihre Meinung zu bestätigen, brach Giovanni in Tränen aus.
    »Stört es dich denn nicht, dass sie den Bruder des Kaisers heiraten wird?«, fragte Judith, weil sie nicht direkter fragen konnte, ob Lucia wie Salvaggia Hass und Groll auf die ganze Familie des Mannes empfand, dessen Kriegsknechte Salerno gebrandschatzt hatten. Lucia presste die Lippen zusammen.
    »Deutsch höre ich sowieso überall«, sagte sie. In ihrem Blick lag eine Herausforderung, die Judith mit einschloss. »Aber in einer schönen Pfalz ist es besser

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