Das Spiel der Nachtigall
kein Spitzel sein konnte. Sie war wirklich nur, wer sie zu sein vorgab. Zunächst war Irene versucht, mit dem Fuß aufzustampfen und zu erklären, sie gebe nicht die Erlaubnis, dass die Magistra sich entfernen dürfe, aber die Frau hatte ihr keinen Eid geschworen, noch war sie eine Sklavin, die ihr gehörte.
»So habt Ihr mich mit einer Blähung gefunden und verlasst mich blutend«, sagte Irene in dem Bemühen, sich leichtherzig über diesen plötzlichen Aufbruch zu geben, nachdem sie eingewilligt hatte, die Magd Lucia in ihren Diensten zu behalten. »Das wird Eurem Ruf schaden, Magistra.«
»Versprecht mir nur, weiter wärmende Wickel mit abgekochtem Hahnensporn zu verwenden, das wird Eure Krämpfe lösen«, gab die Magistra zurück. »Wenn Ihr dann in Frieden und gesund an der Seite Eures Gatten residiert, wird mein Ruf bis in die Sterne strahlen.«
Irene konnte nicht anders, sie musste lächeln, doch sie wurde rasch wieder ernst. »Ihr habt nicht in Frieden und glücklich gesagt«, bemerkte sie. »Das wünscht man doch den meisten Bräuten.«
»Glücklich können wir uns nur selbst machen«, gab die Magistra zurück. »Denkt immer daran, was ich Euch über Adelheid erzählt habe, die Gemahlin von Kaiser Otto. Sie hat geschafft, was noch vor Euch liegt. Alles ist machbar.«
Sie war so respektlos, Irenes Hand zu erfassen und zu drücken, als sei eine Prinzessin aus Byzanz ein trostbedürftiges Kind. Deswegen konnte Irene einer kleinen Bosheit nicht widerstehen.
»An seinem Glück selbst zu arbeiten, das meint Herr Walther auch in seinen Liedern. Oder habe ich da etwas falsch verstanden mit meinem schlechten Deutsch? Er hält das Glück für etwas, was ein Herz mit dem anderen teilen soll?«
»Ich habe nicht hingehört«, erwiderte die Magistra, was eine so offenkundige Lüge war, dass Irene kurz auflachte.
»Ihr habt mir erzählt, dass Köln eine alte Römerstadt ist. Hat sie eine kaiserliche Pfalz, und wird mein Gemahl sie mit mir besuchen?«
»Das mag wohl sein, aber Ihr werdet ihn wohl darum bitten müssen. In Köln liebt man die Staufer nicht.«
»Nun, das kann ich verstehen«, sagte Irene nüchtern. »Nur dachte ich nicht, dass man in diesem Land auch so wie jenseits der Alpen über sie denkt.«
»Das tut man nicht. Es ist nur so, dass für die Kölner der Handel mit England sehr wichtig ist, Euer Gnaden. Als der König von England aus der Gefangenschaft freikam, da hat ihm Köln einen triumphalen Empfang bereitet, ehe er wieder nach Aquitanien zurückkehrte. Aquitanien, die Bretagne, die Normandie und England selbst, alle treiben sie Wein- und Wollhandel mit Köln, und das sind nicht die einzigen wichtigen Handelsbereiche.«
»Ich verstehe immer noch nicht, was das mit den Staufern zu tun hat.«
»Die älteste Schwester des Königs von England war mit Heinrich dem Löwen verheiratet, und als der mit dem alten Kaiser Barbarossa kämpfte, da nahm Köln die Partei des Welfen, damit der Handel weiter günstig lief. Solch einseitige Parteinahme hat der neue Kaiser nicht vergessen.«
»Und Euer neu gefundener Onkel ist im Weinhandel tätig, vermute ich? Wollt Ihr deswegen nicht nach Frankfurt mitkommen, damit er keine Stauferhochzeit miterleben muss?«
Die Magistra schüttelte ihren Kopf. »Nein. Er hat eine Nachricht zu überbringen vom Bischof von Passau an den Erzbischof von Köln.« Ihr Tonfall hatte sich verändert, als sie vom Bischof sprach; er war nicht mehr belehrend, sondern so sorgfältig ausdruckslos, dass Irene neugierig wurde.
»In Wien war der Bischof sehr freundlich zu mir«, sagte sie der Wahrheit gemäß. Als die Magistra nichts zu dieser Beobachtung hinzufügte, sondern weiterhin ihr ausdrucksloses Gesicht machte, entschloss sich Irene, sie auf die Probe zu stellen. »Er bot mir an, für mich einen Brief nach Byzanz mitzunehmen«, fügte sie bedeutungsvoll hinzu, »doch mir scheint, dass eine solche Botschaft mehr als einem Zweck dienen könnte. Wisst Ihr denn, worum es in der Botschaft an den Erzbischof von Köln geht, Magistra?«
Ihre Ärztin schüttelte den Kopf und meinte, der ehrwürdige Bischof sei nicht von der Art, solche vertraulichen Einzelheiten an Boten weiterzugeben, und ihr Onkel gewiss nicht der Mann, sie zu verraten, selbst wenn das der Fall sei. Jetzt war sich Irene ihrer Sache gewiss.
»Ihr habt Angst vor ihm«, stellte sie fest. »Angst vor dem Bischof von Passau. Das finde ich erstaunlich. Vor Diepold von Schweinspeunt hattet Ihr keine Furcht, und auch vor mir
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