Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)
fragte ich mit einem halben Lachen. Er starrte mich eine Sekunde lang unverwandt an, dann grinste er und packte mich am Arm. Für meinen Geschmack hatte sein Zögern zu lange gedauert, auch wenn es aufgesetzt gewesen war.
»Natürlich nicht.« Gregor sah mich an. »Also, ich rechne mit dir.«
Ich nickte, beinahe gegen meinen Willen.
»Ich muss hier noch ein bisschen was tun, die Zeugen verhören und so weiter – und Georg Hoechstetter informieren. Der Mann wartet auf mich. Geh ruhig schon vor zum Fronhof. Ich bin zu Pferd hier, ich hole dich wieder ein – ist ja nicht weit. Ich sag dir was: Wenn nicht, mach's dir in meiner Arbeitsstube bequem und warte. Es dauert nicht lange.«
»Bin ich damit hier entlassen?«
»Es sei denn, du willst den Mord gestehen.« Er strahlte und wandte sich im nächsten Atemzug an den Bäcker. »Was haben Sie von Ludwig Stinglhammer gewollt?«, fuhr er ihn an und ließ ihn gar nicht zu Wort kommen. »Was soll der Unfug mit den Brotringen?«
Ich nickte dem stotternden Schreiber zu, der mir ein dankbares Lächeln sandte, und trat hinaus in den weiten Tordurchgang des Hauses und von da in den Sommermorgen. Hinter mir hörte ich den Bäcker aufgebracht erklären, dass für die Verabschiedung des jungen Ambrosius Hoechstetter Brot zu liefern sei und er Ludwig Stinglhammer von der Qualität seiner Waren habe überzeugen wollen, bevor sich die Zunftkollegen um den Auftrag bewerben könnten. Das Mannloch im Tor des großen Hoechstetter'schen Familienpalastes fiel insSchloss. Daneben stand ein weiterer Waibel im roten Tuch des Bischofs – sein Eisenhut warf im Sonnenlicht glitzernde Reflexe – und hielt die Zügel eines Rappen, dessen Sattel und dessen metallbeschlagenes Zaumzeug die Sonne noch blendender widerspiegelten. Das Tier musste teuer gewesen sein; sein Fell war so schwarz, dass es wie sein eigener Schatten auf dem grell beschienenen Pflaster stand. Die Satteldecke war lang genug, dass sie beinahe bis auf den Boden hing, und von weichem, weißem Leder, das wahrscheinlich täglich aufwändig gepflegt wurde. Die Sonne lag strahlend auf den Dächern, der Kruppe des Pferdes, dem Gewand des Waibel und auf dem staubigen Granit des Pflasters, und in den schmalen Gässchen sammelte sich bereits die erste Hitze. Ich drehte mich zu dem Haus um, in dem ein Toter neben einem rußgemalten Symbol für eine Dämonenbeschwörung gefunden worden war, und stellte fest, dass ich fror.
Ich beeilte mich nicht besonders, zum Fronhof hinauf zu gelangen. Der Anblick des erwachenden Lebens in meiner alten Heimatstadt reichte beinahe aus, die Gedanken an den Ermordeten und was mit seinem Anblick in mir aufgestiegen war, zu unterdrücken. Ich hatte gedacht, Augsburg nie vermisst zu haben – lediglich Bischof Peter, meinen Ersatzvater, Mentor, Freund und Auftraggeber, den ich wegen des ungesühnten Todes zweier Kinder während des Markgrafenkrieges im Streit verlassen und nie mehr wiedergesehen hatte. Doch schon am Vortag, als ich die Stadt durch das Vogeltor betreten hatte, war mir klar geworden, dass dies nur ein weiteres Verdrängen gewesen war. Statt den direkten Weg über Kesselmarkt, Milchmarkt und an der kleinen Kirche von Sankt Martin vorbei zum Dom hinauf einzuschlagen, tat ich die paar Schritte um die Ecke herum zum Zentrum des städtischen Lebens. Als sich der vor frühmorgendlichem Leben wimmelnde Rathausplatz vor mir öffnete, blieb ich stehen.
Plötzlich bedauerte ich, dass Jana nicht mitgekommen war. Meine Gefährtin hatte sich nicht dazu überreden lassen, denUmweg über Augsburg zu machen. Ich vermisste sie, ich machte mir Sorgen um ihre Gesundheit und die Sicherheit ihres kleinen Trosses, und ich hätte sie bei der schwierigen Aufgabe, die ich mir in Augsburg gestellt hatte, gern an meiner Seite gehabt. Doch es hatte sie und unsere werdende Familie mit aller Macht nach Hause gezogen, nach Krakau. Jetzt, im Licht der Morgensonne in den Gassen der Stadt, die meine Heimat gewesen war, konnte ich sie besser verstehen.
Der gedrungene Perlachturm über der Westfassade von Sankt Peter warf seinen Morgenschatten über den Platz und über die Verkaufsläden, die sich unter die Vordächer an seinem Fuß duckten. Es war Donnerstag, kein besonders ausgewiesener Markttag, und so war der Perlachplatz, der im breiteren Schatten der Dreiergiebel des Rathauses und seinem schlanken Glockenturm lag, nicht von den Handkarren der Bauern zugestellt. Vom Fischmarkt, ebenfalls kühl und blau im Schatten
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